Mittwoch, 8. April 2015

wegmarken.talk mit Alexandra Schöler-Haring

Interview, Text & Audio: Melanie Schober und Daniel Rebernegg

Verregnete, nebelige Novembertage in Wien – das sind die schwersten Tag für Alexandra Schöler-Haring. Wenn der triste Alltag die Schauspielerin, Autorin und Weltumseglerin einholt, erinnert sie sich gerne an zwei ihrer prägendsten und abenteuerlichsten Höhepunkte ihres Lebens zurück.

Alexandra Schöler Haring war mit ihrer Familie viereinhalb Jahre auf See unterwegs. Foto: A. Schöler-Haring
Schon als kleines Kind wollte Schöler-Haring Schauspielerin werden. Geprägt von ihren Eltern, die hobbymäßig im Garten und im benachbarten Sensenwerk in Deutschfeistritz (Steiermark) Theater gespielt haben, verließ sie den kleinen Heimatort. Mit einer Ausbildung in Wien kam sie ihrem Traum von einer Schauspielkarriere einen Schritt näher.
Durch eine Rolle in der ersten österreichischen Sitcom war ein erster Meilenstein ihrer Karriere gelegt. Die Bezahlung war gut und auch die Publicity brachte ihre Karriere in Schwung. Gegen den Rat ihrer Agenturchefin, die Karriere in Österreich voran zu treiben, nahm die damals 25-jährige ihr gespartes Geld und verschwand nach New York, wo die wahre Musicalwelt auf sie wartete. In den zwei Jahren im Big Apple und Los Angeles nahm sie Unterricht bei vielen renommierten Lehrern und erlebte die Leidenschaft mit der man dort der Arbeit gegenüber tritt. Das war für mich  super, weil ich jetzt noch davon profitiere, was ich dort gelernt habe, schwärmt sie von dieser Erfahrung. Die Begeisterung und die Professionalität versucht sie auch als Lehrende für Gesang ihren Studenten zu vermitteln.


Nach dieser Zeit in Amerika und einer Musicalproduktion in Los Angeles kehrte sie wieder nach Wien zurück. Fast pleite aber dafür mit der Erfahrung, dass es mehrere Wege gibt seinen Traum zu verwirklichen, versuchte sie in Wien wieder Fuß zu fassen.
Durch frühere Kontakte erhielt sie einen Job an der Kammeroper. Trotz ihrem Können und ihrer neuen Energie, war es nicht einfach sich wieder in der eingesessenen Wiener Schauspielszene zu integrieren. Weil bei uns die Leute nicht offen sind für Neues wenn du von außen kommst, mit junger frischer Energie, ist das nicht unbedingt erwünscht.
 
Familie Schöler am Boot. (Foto: A. Schöler-Haring)

Ihren zweiten Lebenshöhepunkt erlebte sie zusammen mit ihrem Mann und ihrem gemeinsamen Sohn Finn. Alles begann mit Peters Hingabe zum Segeln. Bei ihrem Kennenlernen war das erste was er ihr zeigte, ein Foto seines Bootes und schwärmte von seinen Abenteuern auf See. Mit dem Segelfieber angesteckte, teilte sie den großen Traum ihres Mannes, einmal eine Weltumsegelung zu machen. Nach langen Überlegungen nahm ihr Plan konkrete Formen an. Nach zehn Jahren wieder weg, und ich habe mir gedacht, dass das nur besser sein kann, als hier zu hocken und an der Volksoper zu singen. Für beide stellte dieses Abenteuer einen großen Einschnitt in ihre berufliche Karriere dar.

Eine Erbschaft gab dann den endgültigen Anstoß und die finanzielle Sicherheit, um den großen Schritt zu wagen. Um ihre anfänglichen Bedenken zu mildern, steuerten sie zu allererst Richtung Karibik. Dort sollte sie entscheiden ob, sie weiter segeln sollten oder umkehren. Aber einmal Blut geleckt und vertraut mit dem Leben auf See blickte die Familie dem Abenteuer entgegen.
Eine wahre Herausforderung stellten die oft wochenlangen Überfahrten dar.

 

Untertags musste der damals fünfjährige Sohn Finn betreut werden. Anfangs spielte sie stundenlang Lego oder Uno, später stellte sich auch für Finn so etwas wie Schulalltag ein. Schöler-Haring übernahm die Aufgabe der Lehrerin und brachte ihrem Sohn alles bei, um bei der Rückkehr ohne Probleme in die vierte Klasse einsteigen zu können. 


Zuerst lernen, dann entspannen: Finn am Strand. Foto: A. Schöler-Haring

Jede Ankunft nach langen Überfahrten war für sie etwas Besonderes. Nach Tagen auf See, ohne auch nur ein Stück Land zu sehen, war für sie das Erreichen eines Ziels immer ein emotionaler Moment.


Um ihrem Sohn alle Erfahrungen bieten zu können durften auch Weihnachtsfeste an Bord ihres 12 Meter langem und 6 Meter breiten Katamaran, Risho Maru nicht fehlen. Ein wichtiger Bestandteil ihres Gepäcks waren die drei Päckchen Lebkuchengewürz für die Weihnachtsbäckereien. Auch wenn die Lebkuchenhäuser, aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit in den Tropen immer wieder auseinanderfielen, waren es die schönsten Weihnachten für die ganze Familie.

Nach viereinhalb Jahren Abenteuer war es für sie wieder an der Zeit zurück nach Wien zu kommen. Als sie durch den Golf von Aden segelten und Kurs in Richtung Italien nahmen setzte bei ihnen ein mulmiges Gefühl ein. Die Angst davor, ob alles mit Geld, Job und Schule gut gehen würde, tat sich nun zum ersten Mal auf.

In der eigenen Wohnung wieder angekommen, war das Heim für die Familie plötzlich zu groß. Das Badezimmer wurde zum neuen Lieblingsort, weil es so schön eng war, wenn sie sich dort zu dritt aufhielten. 

Beruflich gesehen war das erste Jahr für die Beiden besonders hart. Ihr Mann gab seine Firma weiter, da er nie wieder selbstständig 40 Stunden die Woche arbeiten wollte, fand jedoch bald wieder einen Job als Zahntechniker. Für sie hingegen war es sehr schwierig in ihrem Beruf wieder Fuß zu fassen: Du musst vorsingen, du musst vorsprechen, du musst dich unter die Leute bringen, das wollte ich nicht mehr. Das Leben als Schauspielerin empfand sie plötzlich, nach all dem Erlebten, als fahl und fokussierte sich auf das Schreiben und die Veröffentlichung ihres ersten Buches über ihre Weltumsegelung. Das war eine ihrer Sternstunden, da sie im Schreiben ihren Anker und ihre Bestimmung gefunden hatte. Doch davon alleine lässt es sich nicht leben.
Auf der Suche, danach sich wieder zu festigen, begann sie ein Studium zur Freizeitpädagogin. Ihr Traum war es, den Kindern an Schulen ihre Musicalleidenschaft zu vermitteln. Während dieser Ausbildung unterrichtet sie an Musicalschulen und kümmerte sich noch um ihre Familie eine harte aber tolle Zeit für Schöler-Haring. 

Trotzdem bringen die vielen Abenteuer auf ihrem Lebensweg keine Vorteile bei der Jobsuche, oft hieß es nur Was, die war viereinhalb Jahre nicht da, ist die verrückt? In Österreich geht es häufig darum, wen du kennst und wie lange du schon in einem Büro sitzt. Das sind Dinge und Eigenschaften, mit denen die Abenteurerin nichts anfangen kann. Und an schlechten Tagen sind es die Erinnerungen an das Erlebte, die den Alltag wieder erträglich machen.
Zur Zeit hat die vielseitige Schauspielerin ihre Bestimmung in der Regie gefunden. Alles was ein bisschen schräg und außergewöhnlich ist, macht sie in ihrem Job glücklich. So wie ihre letzte Inszenierung eines weihnachtlichen Theaterstücks.

Abwechslungsreich, abenteuerlich und hart, so beschreibt Schöler-Haring ihren bisherigen Lebensweg. Mut und Neugier sind dabei zwei Eigenschaften, die ihr auf diesem Weg sehr geholfen haben. Auch wenn sie manchmal verzweifelt war, war sie am Ende wieder erstaunt, was sie alles kann. 
Derzeit ist sie gerade dabei ihr zweites Buch fertigzustellen und zieht dabei ihr eigenes Ding durch. Ich bin an einem Punkt wo ich mir nicht mehr hineinfunken lasse, weil ich weiß, das ist es Einerseits ist es hart, weil es die anderen Leute nicht verstehe, andererseits ist es super.
Trotzdem schlich sich in den letzten zwei Jahren der Alltag wieder in ihr Leben ein. Für die Autorin, Schauspielerin, Sängerin und Mutter bedeutet das, es ist wieder Zeit für ein neues Abenteuer.


Die Aufnahme für das Journalismus und PR Studium an der FH Joanneum Graz bezeichnet Daniel Rebernegg (1990) als Schlüsselmoment in seinem Leben.  Er liebt die Vielseitigkeit, die ihm das Studium bietet. In 40 Jahren will Rebernegg  in seinem Strandhaus sitzen und auf eine erfolgreiche PR-Karriere zurückblicken. Gemeinsam mit seiner Studienkollegin Melanie Schober hat er das Interview mit Schöler-Haring geführt, sowie Audio-files und Text aufbereitet. Mit Schöler-Haring verbindet ihn Abenteuerlust, Gelassenheit und die Liebe zur Musik.



Donnerstag, 2. April 2015

Neue Horizonte – Reisen im Lebenslauf



Gerade von einer Weltreise zurückgekommen, hat sich vor Kurzem eine junge Frau mit der Frage an uns gewandt, wie sie denn nun ihren Weg ins Berufsleben finden könne. „Was soll ich jetzt mit dieser großen Lücke im Lebenslauf machen?“, wollte sie wissen.
Neue Wege gehen bereichert auch den Lebenslauf. Foto: Shutterstock
 
Reisen heißt, neue Horizonte zu entdecken, es heißt, Distanz zum bisherigen Weg zu gewinnen und sich neu zu orientieren. Reisen heißt lernen und es heißt organisieren. Egal, ob mit dem Rucksack durch Vietnam, Freiwilligenarbeit auf einer Farm in Argentinien oder ein Sprachaufenthalt in einer WG in Paris: wer es wagt, sein gewohntes Umfeld für eine gewisse Zeit zu verlassen, gewinnt dabei. Und dieser Gewinn kann im Lebenslauf durchaus erwähnt werden. 

Auf ihrer Reise durch Asien, Australien und Amerika hat die junge Frau unendlich viele Erfahrungen gemacht. Sie hat ihr Englisch verbessert, weil sie im ständigen Austausch mit anderen Reisenden war, sie hat ein wenig spanisch gelernt, weil weder sie noch die anderen Reisenden in Südamerika mit Englisch weit gekommen wären, sie hat gelernt, sich zu organisieren, günstige Unterkünfte zu finden, immer rechtzeitig zu ihre gebuchten Flügen und Bussen zu kommen, ihr Reisebudget sinnvoll zu rationieren,  sich zu vernetzen und schnell zu den richtigen Informationen zu finden. Nicht zuletzt hat sie gelernt, mit sich zu sein – mit ihren Gefühlen und Gedanken und fern von Freunden und Familie, die sie bisher immer aufgefangen hatten. Sie ist offener geworden und hat gelernt, wie unterschiedliche Menschen unterschiedliche Entscheidungen treffen und es nicht nur gut oder böse, schön oder hässlich, klug oder dumm gibt. 

Hätte sie sich nach ihrem Studium direkt auf Jobsuche begeben, hätte sie diese Dinge nicht gelernt, andere – vielleicht sogar weniger. Zumal sie dann einen großen unerfüllten Traum mit sich getragen hätte, der ihr so nicht mehr im (Berufs-)Weg steht. Und genauso kann sie das auch ihrem zukünftigen Arbeitgeber erklären. 

Somancher stellt im Sand unter Palmen fest, dass er nicht fürs Büro gemacht ist. Foto: Shutterstock

Für diejenigen, die im Zuge ihrer Reisen feststellen, dass ein konventioneller Bürojob beispielsweise für sie nicht mehr in Frage kommen wird (für viele wirkt der bisherige Alltag leer oder langweilig, wenn sie aus der Distanz darauf zurücksehen), sprechen wir diese Empfehlung natürlich nicht aus. Niemand sollte sich zu etwas zwingen, nur weil man denkt, es würde von einem erwartet. Die nächste Möglichkeit herauszufinden, wie man seine persönlichen Stärken bestmöglich einsetzen kann, bietet sich bestimmt. Denn auch was Beschäftigung, Karriere und Arbeitswelt betrifft, stimmen die Worte Franz Kafkas: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.“