Dienstag, 22. April 2014

wegmarken.talk mit Arno Fischbacher



Als Arno Fischbacher seinen Willen durchsetzt und die Schule abbricht, fängt er an zu lernen – vom Leben. Damit hat er seither nicht aufgehört und seit 14 Jahren lehrt er auch. Wie man seine Stimme gezielt einsetzen und im Wirtschaftsleben Gehör finden kann, zum Beispiel. In einem wegmarken.talk erzählt er selbstkritisch und mitreißend von seinem Werdegang. 

Wirtschaftsstimmcoach Arno Fischbacher ©stimmeAT2014


„Im klassischen Stimmtraining heißt es: Du musst viel üben. Doch dafür haben meine Kunden keine Zeit.“ Der Wirtschaftsstimmcoach Arno Fischbacher weiß um die Wichtigkeit der Stimme im beruflichen Umfeld, abheben kann er sich jedoch auch dadurch, diese nicht zu generalisieren: „Stimmbildungsübungen sind auch nicht die Priorität dieser Menschen. Sie haben Familie, haben Kinder, ihren Job und hunderte Projekte – sie kommen mit einem Anliegen und dafür suchen sie eine Lösung. Genau das ist meine Herausforderung: ich entwickle Systeme und Zugänge, die mir erlauben, mit den Menschen Ergebnisse zu erzielen, die ganz wenig Zeit haben.“ In Einzelcoachings, Seminaren und Trainings hilft der gebürtige Vöcklabrucker beispielsweise Ängste zu überwinden, ein gutes Gesprächsklima zu schaffen oder Gehör zu finden. In Salzburg ist er mit 15 Jahren Berufserfahrung ein Pionier auf seinem Gebiet, doch der Weg hierher war lange, teils kurvig, herausfordernd, aber immer generell positiv.  

Leistungsverweigerung

„Ich bin ein klassischer Schulabbrecher“, sagt Fischbacher und lacht. Zwar war es nie ausgesprochen, doch als Kind spürt Fischbacher einen Druck. Der Vater, der sich mühsam in der damaligen Chemiefaser Lenzing zum Leiter der Lohnabteilung hocharbeitet, wünscht sich speziell für seinen erstgeborenen Sohn Arno, dass dieser einen sichereren Karriereweg verfolgen solle. „Als Kind kann man das schwer nachvollziehen, ich habe nur bemerkt, dass mein Papa immer wieder großen Stress hatte, seinen Berufsweg zu gehen. Früher hatten sie ja noch Schilling gezählt in diesem großen Industriebetrieb, dann kam die EDV, es kamen die Lochkarten, und so weiter. Er wollte, dass aus mir „was wird“, wie man so sagt. Dieser Stress hat sich bei mir sehr klar ausgewirkt, nämlich in strikter Leistungsverweigerung.“ Nachdem er die achte Schulstufe wiederholt, landet Fischbacher auf Wunsch der Eltern doch schließlich in der HTL in Salzburg. Doch nach dem ersten Schuljahr setzt er mit Kämpfen seinen großen Wunsch durch – er entscheidet sich für eine Goldschmiedelehre und wird trotz Unverständnis vom Vater unterstützt, eine Lehrstelle zu finden. „Meine Ernüchterung folgte natürlich auf dem Fuß, es war alles ein bisschen anders, als ich mir das wohl ausgemalt hatte. Aber ich habe die Zeit gut genutzt, viel entworfen und viel gelernt. Was für mich jedoch viel wichtiger war: in meinem zweiten Lehrjahr nahmen mich meine Kollegen mit ins Theater.“

Protagonist mit weichen Knien

Der Abend in der Elisabethbühne* stellt sich als Schlüsselerlebnis heraus. Fischbacher, der sich rückblickend als schüchternen Jugendlichen beschreibt, wird kurzerhand gebeten, auf der Bühne in männlichen Sprechchören auszuhelfen. „Aus heutiger Sicht hat sich in mir etwas durchgesetzt und zwar eine Hilfsbereitschaft und ein Kooperieren. Innerhalb weniger Wochen hatte ich einen Schlüssel und war verantwortlich fürs Zusperren.“ Nach und nach ergeben sich mehr Zuständigkeiten, bis Fischbacher schließlich zum Protagonisten im nachhaltigen Aufbau einer Hintergrundstruktur des Theaters wird. „Es gab damals nur die Bühne und sehr engagierte Menschen, aber dahinter gab es nichts, wir hatten nicht einmal ein Telefon. Tagsüber hatten wir alle einen Beruf, aber die Abende – oft bis spät in die Nacht – waren der Elisabethbühne gewidmet. Mein Mentor George Ourth und seine Frau Renate hatten damals eine tolle Zukunftsvision, wie man eine Struktur aufbauen könnte, ohne die gleichen Fehler zu begehen, die in anderen Bühnen begangen wurden. Das war mein Antrieb, ich wollte das Ensemble sozial absichern und ein professionelles Theater machen“ erzählt Fischbacher, der sich damals zusätzlich zu organisatorischen Herausforderungen auch der Schauspielerei stellt: „Ich wurde sehr gefordert und gefördert, 1978, im Jahr meiner Goldschmiedemeisterprüfung, machte ich in Wien meine Schauspielreifeprüfung und habe in Salzburg sehr namhafte Rollen gespielt. Jahrelang stand ich mit Angst auf der Bühne, Selbstzweifel und Selbstbehinderung liefen parallel zum Stück in meinem Kopf – erst in den letzten drei Jahren auf der Bühne ist es mir hin und wieder gelungen, den Hebel umzuschalten und zu sagen, da gehe ich jetzt mit Lust hinein.“ 

Fischbacher blickt in die Zukunft - "Es braucht eine Utopie" ©stimmeAT2014


Utopien und Umsetzungen

Seine Gesellenzeit verbringt Fischbacher in einer speziellen Halbzeit-Vereinbarung und verdient nur ein halbes Gehalt. Die Leidenschaft gilt dem Theater, wo Fischbacher einen seiner Lebensgrundsätze entwickelt und anwendet: „Man weiß vorher nicht wie es geht, dann muss man anfangen, dann merkt man, so geht es nicht, also muss man jemanden fragen. So war es zum Beispiel mit dem Siebdrucken. Wir wollten Plakate drucken und man sagte mir, dass es in München einen Fachhandel für Siebdruck gab und dass einem die auch erklären können wie es geht. Also fuhr ich mit dem Zug nach München und kam mit einem Rahmen, einem Rakel und Schablonen zurück. Anfangs haben wir das Papier noch mit Sprühkleber auf der Unterlage befestigt, später haben wir uns mit einem Staubsauger einen Saugtisch gebaut. Was es nicht gab, mussten wir erfinden.“
Mit seiner Begeisterung gelingt es Fischbacher, auch das damalige Unterrichtsministerium in Wien zu überzeugen, dass die Elisabethbühne es wert ist, gefördert zu werden. „Damit war ich ab 1978 halbtags am Theater angestellt – meine Eltern dachten damals, jetzt sinkt er sozial komplett hinunter – und habe ein Büro aufgebaut. Meine erste Großtat war eine Theaterzeitung mit einer Auflage von 10.000 Stück, wir haben die Stadt damit geflutet. Es war so eine Pionierzeit, und es gab ganz viele engagierte, interessierte Menschen, die sich von diesem Geist anstecken haben lassen." Das Unternehmen sollte so aufgebaut werden, dass jährlich eine weitere Person aus dem Ensemble dafür bezahlt würde, was sie im Hintergrund leistete – und so wuchs die Elisabethbühne und wurde nach und nach professionalisiert. „Offensichtlich braucht es eine Vision, fast schon eine Utopie, irgendetwas, was einen innerlich bewegt und einem erlaubt, andere auf dem Weg mitzunehmen.“

Schule des Lebens

Nachdem er seine Entwicklungsziele fürs Theater umgesetzt hatte, verlässt Fischbacher 1996 das Theater. Ohne sich selbst viel Pause zu gönnen, hilft er mit, den Privatradiosender Welle 1 aufzubauen. „Man hängt ja so an den Dingen, aber irgendwann habe ich die Notwendigkeit gespürt, mich überflüssig zu machen. Genauso ist es mir später bei der Welle 1 gegangen, wo ich mich innerhalb einer Woche radikal aus dem Ganzen herausgezogen habe.“ Auch diese Zeit des Aufbaus kostet Fischbacher viel Energie, sodass er danach kraftlos in ein Loch fällt, wie er erzählt. „Heute weiß ich, im Grunde nennt man das Burnout, ich war völlig abgebaut und stand neben mir. Ich habe mich selbstständig gemeldet, nur um dem eine Form zu geben, einmal ein halbes Jahr nichts zu machen und mich neu zu orientieren. Auch da habe ich mir wieder hergeholt, was ich auch sonst in entscheidenden Situationen genutzt habe: Wenn du’s selbst nicht weißt, musst du jemanden finden, der es besser weiß und welche Angebote es gibt, um draufzukommen. Ich habe mein Netzwerk genutzt und eine Reihe von ganz tiefgehenden Gesprächen geführt, heute würde man sagen, ich habe mich coachen lassen.“ So ergibt sich für ihn eine Richtung, in die es gehen könnte und er entscheidet sich wie schon vielfach vorher in seinem Leben für ein Weiterbildungsprogramm. Er besucht eine Trainerausbildung an der Managementakademie der Universität (heute SMBS), wo er durch die Reaktionen seiner Mitstudierenden mehr über seine Stärken erfährt. „Sie haben mir eine Kompetenz gespiegelt, die ich damals von mir selbst überhaupt nicht so wahrgenommen habe. 'Du bist so stark im Auftreten', habe ich immer wieder gehört, oder: 'Wenn Du was sagst, sind alle still'. Da habe ich bemerkt, dass ich auf etwas zugreifen kann, was ich früher nie in Anspruch genommen hatte. Die Regisseure waren bis dahin immer die anderen. Also habe ich noch während der Ausbildung ein Konzept geschrieben, Preislisten vorbereitet und so weiter. Mein erster Kunde war IBM, ergeben hat sich das ganz einfach in einem Gespräch nach einem Vortrag, den ich besucht hatte.“ Um als Netzwerk am Markt sichtbar zu werden gründet Fischbacher mit seiner Kollegin Ingrid Amon das internationale Netzwerk stimme.at. 

Stimmig

Dass er als Wirtschaftsstimmcoach einen Nerv getroffen hat, der bislang zumindest am Salzburger Markt noch unbedient geblieben war, zeigt die Resonanz. Nach fast 15 Jahren in diesem Beruf ist er der mit den vermutlich höchsten Tagessätzen, sein individueller Zugang gibt ihm Recht. „Es gibt viele sehr gute Sprechtrainer, die in erster Linie mit klassischen Artikulations- und Stimmübungen arbeiten. Das hat alles seine Berechtigung – aber es hat einfach wenig damit zu tun, was ich mache. In einem Einzelcoaching von mir kann es beispielsweise darum gehen, dass eine Führungskraft Schwierigkeiten hat, vor einer großen Gruppe Menschen zu sprechen. Da muss dann ganz individuell ein Lösung gefunden werden, wie sich diese Person mit der eigenen Stimme wohler fühlen und diese besser nutzen kann.“ Es sei ein gravierendes Missverständnis, dass die Stimme eben so ist, wie sie ist, erzählt er:  „Die Stimme verändert sich aber ständig, sie ist morgens anders als abends und wenn man fröhlich ist anders, als wenn man traurig ist. Erst im Nachhinein ist mir aufgefallen, dass die Stimme kein Selbstzweck ist, dass sie sich bildet und man ja als Schauspieler andauernd daran arbeitet. Heute profitiere ich natürlich von diesen Erfahrungen“, sagt Fischbacher. Doch auch von der Angst, die er damals auf der Bühne hatte, zieht er heute Positives: so ist es ihm möglich, sich in verschiedenste Situationen einzufühlen und gemeinsam mit seinen Kunden eine passende Lösung für das jeweilige Problem zu finden.
Zu lernen hört der Wirtschaftsstimmcoach dabei jedoch nie auf. Es entgehe ihm mit Sicherheit keine Studie, die international publiziert wird und sich mit dem Thema Stimme beschäftigt. Unter Berücksichtigung aller modernen Forschungsergebnisse aus beispielsweise Neuro- oder auch Sportforschung bringt er seine Erfahrung und Fähigkeiten in eine Form, die in der jeweiligen Trainings- oder Coachingsituation dienlich sind. „Ein Coach der sich nicht weiterbildet, ist nichts wert. Wenn man die Neugier verliert, dann ist man schon in der Routinefalle gefangen.“



*Die Elisabethbühne übersiedelte 1995 und nennt sich heute Schauspielhaus im Petersbrunnhof