Als Arno Fischbacher seinen Willen durchsetzt und die
Schule abbricht, fängt er an zu lernen – vom Leben. Damit hat er seither nicht
aufgehört und seit 14 Jahren lehrt er auch. Wie man seine Stimme gezielt
einsetzen und im Wirtschaftsleben Gehör finden kann, zum Beispiel. In einem
wegmarken.talk erzählt er selbstkritisch und mitreißend von seinem Werdegang.
„Im klassischen
Stimmtraining heißt es: Du musst viel üben. Doch dafür haben meine Kunden keine
Zeit.“ Der Wirtschaftsstimmcoach Arno Fischbacher weiß um die Wichtigkeit der
Stimme im beruflichen Umfeld, abheben kann er sich jedoch auch dadurch, diese
nicht zu generalisieren: „Stimmbildungsübungen sind auch nicht die Priorität dieser
Menschen. Sie haben Familie, haben Kinder, ihren Job und hunderte Projekte – sie
kommen mit einem Anliegen und dafür suchen sie eine Lösung. Genau das ist meine
Herausforderung: ich entwickle Systeme und Zugänge, die mir erlauben, mit den
Menschen Ergebnisse zu erzielen, die ganz wenig Zeit haben.“ In Einzelcoachings,
Seminaren und Trainings hilft der gebürtige Vöcklabrucker beispielsweise Ängste
zu überwinden, ein gutes Gesprächsklima zu schaffen oder Gehör zu finden. In
Salzburg ist er mit 15 Jahren Berufserfahrung ein Pionier auf seinem Gebiet,
doch der Weg hierher war lange, teils kurvig, herausfordernd, aber immer
generell positiv.
Leistungsverweigerung
„Ich bin ein klassischer
Schulabbrecher“, sagt Fischbacher und lacht. Zwar war es nie ausgesprochen,
doch als Kind spürt Fischbacher einen Druck. Der Vater, der sich mühsam in der damaligen
Chemiefaser Lenzing zum Leiter der
Lohnabteilung hocharbeitet, wünscht sich speziell für seinen erstgeborenen Sohn
Arno, dass dieser einen sichereren Karriereweg verfolgen solle. „Als Kind kann
man das schwer nachvollziehen, ich habe nur bemerkt, dass mein Papa immer
wieder großen Stress hatte, seinen Berufsweg zu gehen. Früher hatten sie ja
noch Schilling gezählt in diesem großen Industriebetrieb, dann kam die EDV, es
kamen die Lochkarten, und so weiter. Er wollte, dass aus mir „was wird“, wie
man so sagt. Dieser Stress hat sich bei mir sehr klar ausgewirkt, nämlich in strikter
Leistungsverweigerung.“ Nachdem er die achte Schulstufe wiederholt, landet
Fischbacher auf Wunsch der Eltern doch schließlich in der HTL in Salzburg. Doch
nach dem ersten Schuljahr setzt er mit Kämpfen seinen großen Wunsch durch – er
entscheidet sich für eine Goldschmiedelehre und wird trotz Unverständnis vom
Vater unterstützt, eine Lehrstelle zu finden. „Meine Ernüchterung folgte
natürlich auf dem Fuß, es war alles ein bisschen anders, als ich mir das wohl
ausgemalt hatte. Aber ich habe die Zeit gut genutzt, viel entworfen und viel
gelernt. Was für mich jedoch viel wichtiger war: in meinem zweiten Lehrjahr
nahmen mich meine Kollegen mit ins Theater.“
Protagonist mit weichen Knien
Der Abend in der
Elisabethbühne* stellt sich als Schlüsselerlebnis heraus. Fischbacher, der sich
rückblickend als schüchternen Jugendlichen beschreibt, wird kurzerhand gebeten,
auf der Bühne in männlichen Sprechchören auszuhelfen. „Aus heutiger Sicht hat
sich in mir etwas durchgesetzt und zwar eine Hilfsbereitschaft und ein
Kooperieren. Innerhalb weniger Wochen hatte ich einen Schlüssel und war
verantwortlich fürs Zusperren.“ Nach und nach ergeben sich mehr
Zuständigkeiten, bis Fischbacher schließlich zum Protagonisten im nachhaltigen
Aufbau einer Hintergrundstruktur des Theaters wird. „Es gab damals nur die
Bühne und sehr engagierte Menschen, aber dahinter gab es nichts, wir hatten
nicht einmal ein Telefon. Tagsüber hatten wir alle einen Beruf, aber die Abende
– oft bis spät in die Nacht – waren der Elisabethbühne gewidmet. Mein Mentor George
Ourth und seine Frau Renate hatten damals eine tolle Zukunftsvision, wie man
eine Struktur aufbauen könnte, ohne die gleichen Fehler zu begehen, die in
anderen Bühnen begangen wurden. Das war mein Antrieb, ich wollte das Ensemble
sozial absichern und ein professionelles Theater machen“ erzählt Fischbacher,
der sich damals zusätzlich zu organisatorischen Herausforderungen auch der
Schauspielerei stellt: „Ich wurde sehr gefordert und gefördert, 1978, im Jahr
meiner Goldschmiedemeisterprüfung, machte ich in Wien meine
Schauspielreifeprüfung und habe in Salzburg sehr namhafte Rollen gespielt.
Jahrelang stand ich mit Angst auf der Bühne, Selbstzweifel und
Selbstbehinderung liefen parallel zum Stück in meinem Kopf – erst in den
letzten drei Jahren auf der Bühne ist es mir hin und wieder gelungen, den Hebel
umzuschalten und zu sagen, da gehe ich jetzt mit Lust hinein.“
Utopien und Umsetzungen
Seine Gesellenzeit
verbringt Fischbacher in einer speziellen Halbzeit-Vereinbarung und verdient
nur ein halbes Gehalt. Die Leidenschaft gilt dem Theater, wo Fischbacher einen
seiner Lebensgrundsätze entwickelt und anwendet: „Man weiß vorher nicht wie es
geht, dann muss man anfangen, dann merkt man, so geht es nicht, also muss man
jemanden fragen. So war es zum Beispiel mit dem Siebdrucken. Wir wollten
Plakate drucken und man sagte mir, dass es in München einen Fachhandel für
Siebdruck gab und dass einem die auch erklären können wie es geht. Also fuhr
ich mit dem Zug nach München und kam mit einem Rahmen, einem Rakel und
Schablonen zurück. Anfangs haben wir das Papier noch mit Sprühkleber auf der
Unterlage befestigt, später haben wir uns mit einem Staubsauger einen Saugtisch
gebaut. Was es nicht gab, mussten wir erfinden.“
Mit seiner Begeisterung
gelingt es Fischbacher, auch das damalige Unterrichtsministerium in Wien zu
überzeugen, dass die Elisabethbühne es wert ist, gefördert zu werden. „Damit
war ich ab 1978 halbtags am Theater angestellt – meine Eltern dachten damals,
jetzt sinkt er sozial komplett hinunter – und habe ein Büro aufgebaut. Meine
erste Großtat war eine Theaterzeitung mit einer Auflage von 10.000 Stück, wir
haben die Stadt damit geflutet. Es war so eine Pionierzeit, und es gab ganz
viele engagierte, interessierte Menschen, die sich von diesem Geist anstecken
haben lassen." Das Unternehmen sollte so aufgebaut werden, dass jährlich
eine weitere Person aus dem Ensemble dafür bezahlt würde, was sie im
Hintergrund leistete – und so wuchs die Elisabethbühne und wurde nach und nach
professionalisiert. „Offensichtlich braucht es eine Vision, fast schon eine
Utopie, irgendetwas, was einen innerlich bewegt und einem erlaubt, andere auf
dem Weg mitzunehmen.“
Schule des Lebens
Nachdem er seine
Entwicklungsziele fürs Theater umgesetzt hatte, verlässt Fischbacher 1996 das Theater.
Ohne sich selbst viel Pause zu gönnen, hilft er mit, den Privatradiosender
Welle 1 aufzubauen. „Man hängt ja so an den Dingen, aber irgendwann habe ich
die Notwendigkeit gespürt, mich überflüssig zu machen. Genauso ist es mir später
bei der Welle 1 gegangen, wo ich mich innerhalb einer Woche radikal aus dem
Ganzen herausgezogen habe.“ Auch diese Zeit des Aufbaus kostet Fischbacher viel
Energie, sodass er danach kraftlos in ein Loch fällt, wie er erzählt. „Heute
weiß ich, im Grunde nennt man das Burnout, ich war völlig abgebaut und stand
neben mir. Ich habe mich selbstständig gemeldet, nur um dem eine Form zu geben,
einmal ein halbes Jahr nichts zu machen und mich neu zu orientieren. Auch da
habe ich mir wieder hergeholt, was ich auch sonst in entscheidenden Situationen
genutzt habe: Wenn du’s selbst nicht weißt, musst du jemanden finden, der es
besser weiß und welche Angebote es gibt, um draufzukommen. Ich habe mein
Netzwerk genutzt und eine Reihe von ganz tiefgehenden Gesprächen geführt, heute
würde man sagen, ich habe mich coachen lassen.“ So ergibt sich für ihn eine
Richtung, in die es gehen könnte und er entscheidet sich wie schon vielfach
vorher in seinem Leben für ein Weiterbildungsprogramm. Er besucht eine
Trainerausbildung an der Managementakademie der Universität (heute SMBS), wo er
durch die Reaktionen seiner Mitstudierenden mehr über seine Stärken erfährt.
„Sie haben mir eine Kompetenz gespiegelt, die ich damals von mir selbst
überhaupt nicht so wahrgenommen habe. 'Du bist so stark im Auftreten',
habe ich immer wieder gehört, oder: 'Wenn Du was sagst, sind alle still'.
Da habe ich bemerkt, dass ich auf etwas zugreifen kann, was ich früher nie in
Anspruch genommen hatte. Die Regisseure waren bis dahin immer die anderen. Also
habe ich noch während der Ausbildung ein Konzept geschrieben, Preislisten
vorbereitet und so weiter. Mein erster Kunde war IBM, ergeben hat sich das ganz
einfach in einem Gespräch nach einem Vortrag, den ich besucht hatte.“ Um als
Netzwerk am Markt sichtbar zu werden gründet Fischbacher mit seiner Kollegin
Ingrid Amon das internationale Netzwerk stimme.at.
Stimmig
Dass er als
Wirtschaftsstimmcoach einen Nerv getroffen hat, der bislang zumindest am
Salzburger Markt noch unbedient geblieben war, zeigt die Resonanz. Nach fast 15
Jahren in diesem Beruf ist er der mit den vermutlich höchsten Tagessätzen, sein
individueller Zugang gibt ihm Recht. „Es gibt viele sehr gute Sprechtrainer,
die in erster Linie mit klassischen Artikulations- und Stimmübungen arbeiten.
Das hat alles seine Berechtigung – aber es hat einfach wenig damit zu tun, was
ich mache. In einem Einzelcoaching von mir kann es beispielsweise darum gehen,
dass eine Führungskraft Schwierigkeiten hat, vor einer großen Gruppe Menschen
zu sprechen. Da muss dann ganz individuell ein Lösung gefunden werden, wie sich
diese Person mit der eigenen Stimme wohler fühlen und diese besser nutzen
kann.“ Es sei ein gravierendes Missverständnis, dass die Stimme eben so ist,
wie sie ist, erzählt er: „Die Stimme
verändert sich aber ständig, sie ist morgens anders als abends und wenn man
fröhlich ist anders, als wenn man traurig ist. Erst im Nachhinein ist mir
aufgefallen, dass die Stimme kein Selbstzweck ist, dass sie sich bildet und man
ja als Schauspieler andauernd daran arbeitet. Heute profitiere ich natürlich
von diesen Erfahrungen“, sagt Fischbacher. Doch auch von der Angst, die er
damals auf der Bühne hatte, zieht er heute Positives: so ist es ihm möglich,
sich in verschiedenste Situationen einzufühlen und gemeinsam mit seinen Kunden
eine passende Lösung für das jeweilige Problem zu finden.
Zu lernen hört der
Wirtschaftsstimmcoach dabei jedoch nie auf. Es entgehe ihm mit Sicherheit keine
Studie, die international publiziert wird und sich mit dem Thema Stimme beschäftigt.
Unter Berücksichtigung aller modernen Forschungsergebnisse aus beispielsweise
Neuro- oder auch Sportforschung bringt er seine Erfahrung und Fähigkeiten in
eine Form, die in der jeweiligen Trainings- oder Coachingsituation dienlich
sind. „Ein Coach der sich nicht weiterbildet, ist nichts wert. Wenn man die
Neugier verliert, dann ist man schon in der Routinefalle gefangen.“
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