Gegen das System arbeiten, um Gutes zu produzieren. Star-Regisseur Reinhard Schwabenitzky, Speaker des 13. wegmarken.salons, über seine Rolle als "Unbequemer", die Vorzüge von Bundesheer-Dienstvorschriften und den kleinen Menschen, der bei ihm immer gewinnen muss.
"Ich wollte an
sich nie irgendwo sein, das war in gewisser Weise auch mein Glück. Ich war immer ein Mensch des Augenblicks,
mich hat immer am meisten interessiert, was ich gerade, im Moment, mache. Wenn
mich jemand gefragt hat, welcher meiner Filme denn mein liebster sei, dann war
es immer der aktuelle. Und wenn ich mal gerade keinen Film mache, muss
ich scharf nachdenken.
Man ist nicht
immer selbstbestimmt in dem, was man als Regisseur tut, es gibt immer Aufträge,
die man zu erfüllen hat. Bei mir war das immer kompliziert, weil ich mir ungern
hab dreinreden lassen. Deswegen haben sich die Konflikte mit der Bürokratie des
Fernsehens auch immer sehr stark gezeigt.
|
Reinhard Schwabenitzky, (c) wegmarken |
Ich bin als
junger Mensch gerne ins Kino gegangen, aber Film war für mich so unerreichbar
weit weg, dass ich mir gedacht hab, das wird sowieso nichts. Also war mein
erstes Interesse beim Theater. Nachdem meine Mutter aber gesagt hat, ich soll
vorher einen anständigen Beruf erlernen, habe ich die Salzburger HTL für
Elektrotechnik besucht. Das hab ich ein halbes Jahr gemacht, bin dann
aber heimlich ausgestiegen und hab bei einem Geometer gejobbt. Der ist mir
dann auch sofort auf den Geist gegangen, weil es so elendiglich fad war. Also
hab ich gesagt, gut, fang ich halt noch einmal an mit der HTL, diesmal in
Mödling. Das Internat war furchtbar, die Schule irgendwo auch. In Mödling war
es aber insofern ganz lustig, weil ich einen sehr guten Deutschprofessor hatte.
Der hat mir immer Opernkarten und Karten für das Burgtheater geschenkt. Ich hab
ein Moped gehabt und bin bei Wind und Wetter, Nacht und Nebel in die Staatsoper
gefahren und hab mir am Stehplatz dort alles angeschaut, was nur war. Das war
damals eine interessante Zeit an der Oper, die Karajan-Zeit. Die Schule hab ich
mit Ach und Krach bestanden. Ich war auch damals ein störrischer Mensch. Ich hab
Schulkabarett gemacht und alle ein wenig auf die Schaufel genommen habe. Das
heißt, ich hab immer wieder Ausgangssperre gehabt.
Dann war ich beim
Bundesheer, das war auch eine heftige Zeit. Die haben mich auch nicht besonders
mögen. Ich war nie aktiver Störenfried, sondern hab immer nur reagiert. Ich bin
hergegangen und hab die Dienstvorschriften gelernt und immer, wenn jemand zu
mir gesagt hat, tu das und das, hab ich gesagt, nein, die Dienstvorschriften
sagen aber was anderes. Somit hab ich erreicht, dass, wenn immer ich mit den
Dienstvorschriften angefangen habe – egal ob ich’s erfunden hab oder nicht –
haben mir die geglaubt.
Dann hab ich es
gewagt, die Aufnahmeprüfung ins Reinhard-Seminar zu versuchen, als Regisseur. Bei
der Aufnahmeprüfung hab ich natürlich auch wieder Schwierigkeiten gemacht, weil
ich gesagt hab, also, wenn ich das alles weiß, was Sie mich fragen, dann brauch
ich ja gar nicht mehr studieren. Alles, was ich vorgeschlagen
habe, wie man etwas machen könnte, fanden die dort zu populär. Ich wollt mich ja immer vielen Menschen
mitteilen und dort wurde nur das Elitäre gefragt. Ich hab das Elitäre aber
abgelehnt. Sie haben
gesagt, das verstehen ja alle! Und ich dann: das will ich ja, dass das alle
verstehen!
|
R. Schwabenitzky mit Moderator Franz Wührer (c) wegmarken |
Ein anderer, der
mit mir rausgeflogen ist, hat gesagt, er geht jetzt auf die Filmhochschule. Ah,
hab ich gesagt, so was gibt es auch? Dort hab ich dann nicht mehr den Fehler
gemacht zu sagen, ich will Regisseur werden, sondern hab mich für das
Kamera-Fach beworben. Jeder Professor durfte sich da einen Studenten aussuchen,
auch, wenn er bei anderen durchgefallen ist. Und ich bin wirklich überall
durchgefallen, außer beim
Kameraprofessor. Und der hat eben gesagt, den will ich! Ja, und, weil
mir fad war, hab ich dann Kamera, Regie, Drehbuch und Schnitt inskribiert und
hab die Abschlussprüfung dann gemacht in Regie und Kamera.
Ich hab im
sechsten Semester schon meinen Diplomfilm gedreht, das war damals eigentlich
undenkbar, weil das Material einfach zu teuer war. Ich bin einfach zu Kodak
gegangen und hab gefragt, ob ich Restmaterial haben kann, hab‘s bekommen, mir
eine Kamera vom Institut geborgt und einen Film gedreht, der hieß
„Lebensaufgabe“, eine Satire. Das Fernsehen hat den gesehen und dann auch
gesendet.
Dann kam ein
Redakteur zu mir und hat mich gefragt, ob ich denn was drehen möchte. Ich hab
gesagt, ja, was denn? Er hat mir dann so einen Groschenroman gegeben, der hieß
„Schwester Martha verzichtet auf ihr Glück“. Da hab ich ihn gefragt, was ich
mit dem Schrott soll? Ich hab abgelehnt. Der hat mich dann aber immer wieder
angerufen und gesagt, ich muss das drehen. Ich hab so lange abgelehnt, bis mir eingefallen ist, ich mach daraus eine Satire.
Dann hab ich zugesagt.
|
Reinhard Schwabenitzky (c) wegmarken |
Ich hab mir
daraufhin genau überlegt, wie das gemacht werden muss, damit es als Satire
funktioniert. Die Farben, die Dekoration, alles. Als die Szenerie dann fertig
gebaut war, hab ich sie mir angeschaut und es war nicht so, wie es im Konzept
stand. Andere Farben, andere Möbel, anderer Grundriss. Die Leute dort haben
herumgezogen und gemeint, das passt schon so. Nein, hab ich gesagt, das passt
so nicht, ich hab da ein Konzept. Wenn zum Beispiel jemand gesagt hat „Gott
wacht über dich!“, dann hab ich das so aufgenommen, dass im Hintergrund das
Kreuz war. Und das funktioniert natürlich nicht, wenn der Raum ganz anders ausschaut.
Ich hab gesagt, wenn das am Montag nicht so steht, wie ich es gesagt habe, dann
drehen wir nicht. Und bin gefahren. Nicht aus Sturheit, sondern weil mein
Konzept so nicht funktioniert hätte. Als ich am Montag dann wieder gekommen
bin, hat es gepasst und wir haben gedreht. Und der Über-Gag: es war ein
Riesenerfolg. Und zwar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe, dass die
Leute die Satire kapieren, sondern weil es so schmalzig war. Meine Großmutter
hat mich angerufen und gesagt, na so ein schöner Film!
Und daraufhin hab
ich noch ein Angebot gekriegt, da haben sie mir ein Buch gegeben, das hat „Das
Salz der Erde“ geheißen. Ob ich da ein Kapitel draus verfilmen will. Da gäbe es
einen Autor, der hieße Hinterberger und der Hauptcharakter, der hieße Mundl. Da gäbe es einen Autor, der hieße Hinterberger und der Hauptcharakter, der hieße Mundl. Der Roman war gut, das Drehbuch weniger. Drehbuchschreiben war nicht Hinterbergers Stärke und die Zusammenarbeit mühsam. Das muss man umschreiben, hab ich gesagt. Und der ist
dann neben mir gesessen und wir haben es gemeinsam umgeschrieben, haben gedreht
und es war auf Anhieb ein Straßenfeger.
Dann ist der ORF
zu mir gekommen, ob man noch eine zweite Folge machen könnte, eine dritte und
dann eine vierte. So haben wir eine Folge nach der anderen gemacht und am
Schluss haben sie uns so wenig mögen, dass … ich hab drei Folgen hintereinander
gedreht, Weihnachten, Sylvester und die erste Folge, wo die Irmi schwanger ist.
Das waren meine letzten drei Folgen. Das haben sie uns drehen lassen in der
Lagerhalle, wo die Geräte für die olympischen Spiele aufbewahrt worden sind. Das
war die Hölle, der Holzboden dort hat geknarzt, wir haben uns fast nicht
bewegen können. Der ORF hat uns nicht
mögen, er hat den Erfolg auch nicht mögen.
|
(c) wegmarken |
Ich hab einmal in
Mattsee eine Mühle gemietet um Urlaub zu machen. Ich bin dann am Wochenende in
den Ort rein gefahren um einzukaufen und hab die Zeitung in die Hand genommen.
Auf der Titelseite sehe ich „Star-Regisseur Schwabenitzky“, da hab ich mir
gedacht, was? Das soll’s gewesen sein? Jetzt hab ich noch nicht einmal die
Akademie fertig. Weil, Star ist man, wenn man alles geschafft hat. Und ich hab doch
gerade erst angefangen. Das war für mich gewaltig. Ich bin dann halt als „Star-Regisseur“
zur Diplomprüfung angetreten.
Beim echten
Wiener gibt es ein übergreifendes Thema. Es ist ja so, dass alle politischen
Parteien mittlerweile die Familie trennen wollen und sagen, alle
Familienmitglieder müssen arbeiten gehen und die Kinder werden abgelegt in
irgendeinem Hort. Ich glaube, dass eine grundsätzliche Sehnsucht besteht, dass
die Familie zusammensitzt an einem Tisch. Und der „Echte Wiener“ erfüllt das.
Die sitzen zusammen und auch, wenn sie sich streiten und sich befetzen und
beschimpfen, sie reden miteinander. Das ist das eine. Das andere ist es zu
zeigen, dass es ein Unterprivilegierter nicht so leicht hat. Aber, wenn es um
was geht, ist er voll für seine Familie da, setzt sich ein und riskiert auch
ordentlich was. Und in dieser Figurenkonstellation, die der Hinterberger
wirklich genial erfunden hat, konnte man das zeigen.
Mich interessiert
der kleine Mensch. Und der muss bei mir auch immer gewinnen. Ich hole jetzt
vielleicht ein bisschen weit aus, aber, ich bin davon überzeugt, dass das
Dritte Reich so nicht möglich gewesen wäre, hätte es die so genannte
schweigende Mehrheit nicht akzeptiert, was da passiert ist. Also, man muss
diesen kleinen Menschen kritisieren, aber man muss ihn auch gewinnen lassen,
damit er sein Selbstwertgefühl behält. Wenn ich eine Komödie mache, dann darf
ich nicht über den kleinen Verlierer lachen, sondern über den vermeintlichen
Sieger. Lachen ist für mich sowieso eine ganz wichtige antiautoritäre Sache.
Sonst würde der Satz „Lach nicht so blöd“ ja gar nicht funktionieren. Lachen
ist eine Waffe."