Freitag, 8. Juni 2012

Infiziert mit dem Bio-Virus


Im ersten Teil unseres Berichts vom 9. wegmarken.salon mit Ilse und Günter Achleitner haben wir vom Weg der Achleitners von der Übernahme des elterlichen Hofs bis hin zum Bio-Bauernhof berichtet und erklärt, was am Biogedanken so faszinierend ist. Viel Spaß bei der Lektüre von Teil zwei!

 

Der Bio-Virus

Was die Achleitners außerdem „einfach total motiviert“ ist es zu sehen, wie sich der Biogedanke fortpflanzt. Da gibt es etwa die direkt angrenzende Nachbarin, ein ganz kleiner Betrieb mit 6 ha, die zuerst im Nebenerwerb tätig war und durch eine Ökowirtausbildung und die Umstellung auf Bio jetzt im Vollerwerb arbeitet. Den Praxisteil der Ausbildung hat sie übrigens bei den Achleitners gemacht. 
  
„Es sind viele Betriebe in der Region, die zuerst im Nebenerwerb waren. Seit wir sie dazu motivieren konnten auf Bio umzustellen, sind sie im Vollerwerb und können davon leben und haben teilweise schon wieder Leute angestellt. Das ist natürlich toll!“, so Günter Achleitner.
  
Ilse: „Wir sind da sehr infektiös (lacht). Fast jeder Bauernbub, der bei uns gearbeitet hat, hat seinen Betrieb dann auf Bio umgestellt.“
Günter: Genau, es gibt fast keinen Mitarbeiter bei uns, der daheim seinen Betrieb dann nicht umgestellt hat. Einen haben wir noch, aber der ist erst seit 1,5 Jahren dabei, den kriegen wir auch noch (lacht).
  
 

Erfolg durch Mundpropaganda

 „Das Problem, ist“, sagt Ilse Achleitner, „dass die Bauern das Vermarkten verlernt haben. Das hat uns das Lagerhaus verlernt! Weil da bringt man alles hin und kippt es rein und kriegt im Austausch Pestizide und Dünger geliefert und muss sich um nichts kümmern und streift mit keinem Kunden an. Ich hab mich ja am Anfang geschämt, wenn ich einen Kunden angerufen habe und gefragt hab: ‚Braucht‘s ihr einen Salat, oder nicht?‘ Soweit war ich weg davon.
   
Aber der Günter hat den Handel im Blut. Sein Großvater war Viehhändler. Der Günter hat auch immer schon den besseren Sinn für große Strukturen und den Überblick. Mein Zugang ist eher zum Endkonsumenten, weil ich, glaub ich, die Menschen gut spür und auch gern hab. Und von der Vermarktung her würd ich sagen, dass wir uns einfach gut ergänzen und, dass wir das auch annehmen können, dieses Sich-Ergänzen.“


    
Aber das Marketing spiele generell  eine sehr untergeordnete Rolle, da viel durch Mundpropaganda passiere, sagt Ilse Achleitner

„Die Leute haben da einfach Vertrauen in uns, dass wir diese Bio-Vermarktung nicht machen, weil wir damit viel Geld verdienen wollen, sondern weil es uns aus unserer landwirtschaftlichen Tätigkeit heraus ein Uranliegen ist. - Ilse Achleitner

Und weil wir wollen, dass es den anderen Biobauern auch gut geht und, dass Bio so gut es geht vermarktet werden kann. Da ist wirklich sehr viel Nähe und Vertrauen von Kundenseite da.“ 

Ein „Wunderwuzzi „im Kaufmännischen sei sie aber trotzdem nicht, was sich auch in einer heftigen Krisenzeit niedergeschlagen hätte. 

   

Hochwasser schafft neue Strukturen

„Wir sind einfach extrem schnell gewachsen, mit einer Umsatzverdoppelung innerhalb von 3 Jahren und natürlich sind die innerbetrieblichen Strukturen nicht mitgewachsen. Da haben uns viele im Nachhinein gesagt, das ist normal, für uns war’s aber ganz und gar nicht normal.“ 
    
Das Hochwasser 2002 war ein einschneidendes Ereignis für den Betrieb. Bis dorthin fand die Vermarktung direkt am Bauernhof statt, der mit dem Handelsbetrieb mitgewachsen war. Schritt für Schritt wurden Büros und Kühlräume für die Vermarktung  gebaut. Alle 2,3 Jahre gab es eine größere Baustelle. 2002 sollte der Betrieb dann baulich neu strukturiert werden.

 „Dann ist eben das Hochwasser gekommen und wir haben die Widmung für den Bau nicht mehr bekommen. Die Planung war fix und fertig. Das war natürlich mal ein Schock für uns.

„Da haben wir gesagt, ok, wir bauen neu, bleibt uns eh nichts anderes über.“ Man wollte sich ohnehin weiterentwickeln und den Biogedanken weitertragen, für mehr und mehr Produzenten Vermarktungspartner werden. Der Markt entwickelte sich gut und so ging alles Hand in Hand. „Für uns war es selbstverständlich, dass wir 100% ökologisch bauen, das heißt Passivhaus.“ 2005 wurde der Neubau eröffnet – mit einer Baukostenüberschreitung von über einer Million Euro. 


   
„Man muss auch dazusagen, dass wir durch diese ökologische Bauweise auch teurer gebaut haben! Als Passivhaus mit Holz, Stroh und Lehm baut man nicht so günstig, wie, wenn man eine Paneelhütte hinstellt. Aber für uns war von vorneherein klar, dass wir mit dem ökologischen Gedanken nicht bei der Ernährung aufhören wollen, sondern in viele Lebensbereiche miteinbeziehen wollen.“ Die neuen Büros werden etwa mit Pflanzen klimatisiert, Klimaanlage gibt es keine. Außerdem wurden mit dem Neubau auch ein Bio-Restaurant, das Kulinarium, und ein Bio Frischemarkt eröffnet. „Das hat uns am Anfang noch recht wehgetan, weil man es sich aus einem Hofladen heraus nicht vorstellen kann, dass man da plötzlich mit einem Einkaufswagen durchfährt. Aber wollten einfach den Biogedanken schmeckbar machen und auch erschwinglich. Unser Restaurant ist sicher nichts, was uns große Gewinne einbringt, sondern wir schauen halt, dass, in der Landwirtschaft sagt man so, hui um geht (lacht) und, dass man einfach Menschen motiviert. Man sollte sehen, biologisch kann ja auch gut schmecken.“, sagt Ilse Achleitner. 
    
Die nächsten 2-3 Jahren habe sich der Betrieb dann aber sehr gut entwickelt.  „Was sich aber nicht mitentwickelt hat, das war die Struktur im Betrieb. Da hatten wir 2 Jahre mit heftigen Defiziten.“ Grund waren strukturelle und familiäre Probleme, gekoppelt mit einem Marktknick. Drei Bio-Supermarkt-Ketten hatten geplant, in jedem Bundesland  mindestens eine Filiale zu eröffnen – mit den Achleitners als Hauptlieferanten. Aus verschiedenen Gründen wurde diese  Expansion nicht umgesetzt, Sortiment und Betrieb der Achleitners waren aber bereits darauf ausgerichtet. „Da sagt uns im Nachhinein jeder Berater, das passiert jedem einmal! Aber wir haben das im Familienbetrieb nicht ganz so schmerzfrei auf den Weg gebracht. Wir sind halt keine gelernten Manager.“

Moderator Franz Wührer

     
Mit einem Unternehmensberater wurde der Betrieb schließlich neu strukturiert. „Jetzt sind wir an einen Punkt, wo wir sagen können, wir fühlen uns wohl. Bei der Budgetplanung ist einfach sehr viel hemdsärmelig entschieden worden, was wir in der Boom-Phase auch sehr gut verkraftet haben, alle Ressourcen und alle Kapazitäten waren ausgenützt durch dieses schnelle Wachstum. Aber was im Nachhinein das Gute war: Wir haben selber erkannt, dass wir was tun müssen und es ist nicht die Bank zu uns gekommen und hat gesagt: jetzt ist es aus mit der Finanzierung.“

      

Die Spanische Gurke

Um ihre Kunden auch im  Winter mit Biogemüse versorgen zu können, kommt ein ausgeklügeltes Lager- und Kooperationssystem zum Einsatz. Da kommt es durchaus vor, dass Bioprodukte aus dem Ausland eingekauft werden. 
   
„Von der Ökobilanz her kommt da oft ganz was anderes heraus, als einem das Bauchgefühl sagt. Da sagt man, naja, wenn‘s im Mai eh schon Österreichische Gurken gibt, kauf ich keine spanischen Biogurken. Aber die Österreichischen sind halt in reiner Hydrokultur gewachsen mit künstlicher Belichtung, die extrem energiebelastend ist und im vollen Pestizidcocktail. Und dem gegenübergestellt eine biologische Gurke, z.B. aus Spanien, wo jetzt „nur“ der Transport die Belastung ist.“ Die spanische Gurke bringe es dabei nur auf 40% der Umweltbelastung, die die österreichische Gurke zu verbuchen habe. 
    
Aber, kann man garantieren, dass die spanische Gurke auch wirklich Bio ist? Das kann ich, weil ich den Bauern dort kenn.“, sagt Günter Achleitner. Außerdem habe die Bio-Zertifizierung weltweite Standards. Ein Bauer, der sich entschließe auf Bio umzustellen, setzte immerhin seine gesamte Existenz aufs Spiel und so was tut man nicht leichtfertig, gibt Günter Achleitner zu Bedenken. „Von dem gehen wir mal grundsätzlich aus, dass sich der etwas überlegt hat dabei. Und diese Kontrollen sind auch nicht harmlos.“
   
Aus dem Publikum ist zu hören: Man kann den Konsumenten aber nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Ich muss mich als Konsument informieren und mitdenken, was ist logisch. Ist eine Gurke im Dezember logisch? 

Ausblick von der Panoramaterasse des UW Aigen

    
Trotzdem wird bei den Achleitners drauf geachtet, Produkte so lokal wie möglich einzukaufen: „Wenn‘s möglich ist es in Verona zu produzieren, dann lass ich es in Verona produzieren und nicht in Sizilien oder Spanien, auch wenn’s billiger wär.“ Mit den ausländischen Partnerbetrieben würden genau die gleichen Vereinbarungen getroffen, wie mit jenen in Österreich: „Das macht dann keinen Unterschied, ob das die Nachbarin ist, oder der Bauer in Mantua. Und das sind genauso Bauern, ganz kleine Familienbetriebe mit ein bis drei Hektar, die sich echt bemühen um ihren Boden. Und die können davon leben. In Griechenland ist es gerade so, dass viele junge Leute aus der Stadt wieder aufs Land gehen, sogar zu den Großeltern teilweise, und da dann das Land bewirtschaften. Und wir sehen es auch als unsere Aufgabe, denen dort zu helfen.“, gibt Günter Achleitner zu verstehen.

 

Wir bedanken uns bei Ilse und Günter Achleitner für ihre Zeit und ihre Gedanken und bei der Salzburg AG für die Gastfreundschaft im Historischen Umspannwerk Aigen!



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