Mittwoch, 6. Juni 2012

Von Bio-Spritzen, vertrockneten Kakteen und Lebensprinzipien


Wahnsinn! 17 Word-Seiten ist das Achleitner-Interview vom letzten wegmarken.salon lang! Und so interessant, dass man am liebsten jedes Wort veröffentlichen möchte.
Unser Bericht ist deswegen so lang geworden, dass wir ihn auf zwei Posts aufteilen müssen. Viel Spaß beim Lesen, Informieren, Nachdenken!


Grüner Daumen trifft Vermarktungstalent

Seinen „grünen Daumen“ hat Günter Achleitner in einer Gärtnerlehre kultiviert. Sein Vermarktungstalent entfaltete sich ebenfalls schon im Teenageralter am bäuerlichen Gemüsefeld. Bereits als 18jähriger fährt er im Mühlviertel von Haus zu Haus und bringt das Gemüse vom elterlichen Bauernhof – damals noch konventionell bewirtschaftet – an Mann und Frau. Als es irgendwann darum geht, den Betrieb von den Eltern zu übernehmen, stellt er dem Vater Bedingungen: Gewächshäuser für den Salat will er, damit er seine Kunden länger damit beliefern kann, und einen LKW um seine Produkte zu vermarkten. 
   
Seine Frau Ilse kennt er erst ein knappes Jahr, als geheiratet wird. Ilse Achleitner stammt ebenfalls aus einer Bauernfamilie, dass die Tochter in die Fußstapfen der Eltern treten wird, stößt hier aber eher auf Entsetzen. Sie hatte immerhin die Handelsakademie absolviert und schon in einer Bank gearbeitet, als die Entscheidung fiel. Die Tochter sollte es doch „einmal besser haben“ als der Vater, der „365 Tage im Jahr in den Stall gegangen ist, ob er krank war oder nicht.“ Und ein grüner Daumen wird Ilse auch nicht unbedingt attestiert: „Meine Mutter, die hat mir schon nur mehr Kakteen ins Zimmer gestellt, weil alles andere ist bei mir immer vertrocknet.“
 
Schon beim Hochzeitsladen wird die erste Bio-Spritze verabreicht. Urheber ist Günters Onkel, Demeter-Saatzüchter Hans Gahleitner, der die Achleitners schließlich vom Bio-Gedanken überzeugen wird. 

 

Hasen fressen Lieber Bio

„Am ersten Tag, an dem uns der Vater den Betrieb übergeben hat, hat er gesagt: Und mit der Unkrautspritze fährst jetzt du! Ohne irgendwie zu erklären, wie das funktioniert.“ Und von vorneherein war dieser große Widerwille da, gegen die Pestizidspritze. Der Druck in der konventionellen Landwirtschaft wird immer größer, die Preise immer schlechter und die Arbeit immer unbefriedigender. Irgendwann können im Folienhaus nur mehr 50-60% der Salate geerntet werden „weil alles schon so faulig war, weil wir schon so viel Bodenkrankheiten drinnen gehabt haben. Und da muss man dann normalerweise den Boden dämpfen, also auf 60 cm Bodentiefe sterilisieren, da ist dann das ganze Bodenleben und alles kaputt. Das war dann die Phase in der wir die Kompostierung nach Lübke kennen gelernt haben, wie wir dann liebevoll unseren ersten händischen Kompost gemacht haben, wo ich mit dem Spritzkrug die Bakterien reingespritzt hab. Den haben wir dann ausgebracht und plötzlich haben wir 80-90% der Salate ernten können. Und da hat es dann „aha“ gemacht. So, dieses Zusammentreffen von diesem Widerwillen gegen das Unkrautspritzen und mit diesem Kompost – von einem Jahr aufs andere so viel gesünder!“, erzählt Ilse Achleitner. Und trotz der öffentlichen Meinung funktionierte es. Die sagte damals nämlich: „Biologischer Gemüsebau funktioniert nicht! Aus. Und es werdets euch schon anschauen! Und der Vater hat gesagt, er geht nimmer zum Stammtisch, weil das tut er sich nicht an, dass er sich das jeden Tag anhört.“, sagt Ilse Achleitner. „Das war ein richtiger Befreiungsschlag, dass ich mit dem Gift nichts mehr tun hab müssen.“, meint ihr Mann Günter.
   
Ilse: „Das Bewegende, was uns so ergriffen hat ist das Lebensprinzip in der biologischen Landwirtschaft. Dieses Lebensprinzip wird multipliziert und auf den Feldern fortgesetzt und ist ein Spiegelbild zur Ernährung – diese Parallele von Ernährung und Boden.  

"Gesunder Boden, gesundes Tier, gesunder Mensch, das war sehr schlüssig für uns und ist es nach wie vor." - Ilse Achleitner


Ganz wichtig ist uns einfach das Schließen des Kreislaufs, dass man einfach aus Abfällen, die im Betrieb anfallen, wieder einen wertvollen Dünger machen.“
Günter: „Konventionelle Nachbarn müssen ihre Salate oft gar nicht einzäunen. Wir müssen die Salate hingegen schon einzäunen, weil die Hasen und die Rehe viel mehr auf das biologische gehen, als auf das konventionelle. Es gibt auch Versuche vom Ludwig Boltzmann Institut in Wien mit Ratten und Gemüse, speziell Karotten und es ist interessant, dass die Ratten zu fast 100% die Bio-Karotten gefressen haben, das konventionelle haben sie liegen gelassen.“
Ilse: „Schade, dass die Menschen diese Instinkte nicht haben, gell? (lacht)“
 
Darin zeige sich auch der Widerspruch zur herkömmlichen Agrar-Lehre, so Günter Achleitner. Dort gehe man etwa davon aus, man brauche 300 kg Reinstickstoff pro Hektar um Kraut zu ernähren. „Wenn man im Kompost nachmisst kommt man nur auf 50 kg und es funktioniert trotzdem.“
Im Gegensatz zur herkömmlichen Landwirtschaft sei Bio gekennzeichnet durch die organische Ernährung der Pflanze mit Kompost und Gründüngung und zum anderen durch das Weglassen von chemischen Mitteln, Fungiziden, Herbiziden und Pestiziden.Bio heiße aber natürlich noch viel mehr, sagt Günter Achleitner, zum Beispiel was die Fruchtfolge anginge. In der konventionellen Landwirtschaft werde auf derselben Fläche dreimal im Jahr die gleiche Kultur angebaut, Salate etwa. „Wir halten eine Fruchtfolge von 4-5 Jahre ein und machen selbstverständlich  nur eine Frucht pro Jahr. Und bis zum nächsten Jahr kommt da keine weitere Frucht drauf, sondern nur Gründüngung, damit gebe ich dem Boden etwas zurück.“
   
Im Biolandbau könne man außerdem nur vorbeugend arbeiten. „Wenn der Schaden erst mal da ist, kann ich nichts mehr machen.“ Wenn der Boden nicht sorgsam behandelt und aufgebaut würde, könne Biolandbau nicht funktionieren. „Das ist wie in der Medizin. Wenn ich glaube, ich spritz da mit einem Pflanzenschutzmittel drauf und dann geht’s weg, das kann nicht funktionieren, wenn ich immer nur versuche des Unkraut zu bekämpfen und nicht die Ursache.“
 
„Mein erstes Buch“, erzählt Ilse Achleitner, „das haben wir bei der Hochzeit geschenkt bekommen, das war „Gesundheit durch Heilkräuter“ nach Wilfort, da war hinten so ein Register drin. Wir haben 5 Kinder und da war immer wieder mal eines krank und selber geht es einem ab und zu auch nicht so gut. Da hab ich immer nachgelesen über des Problem und da ist dann vorgekommen: Karotten, Zwiebel, Knoblauch, Kartoffeln, Kraut und da hab ich mir gedacht: das ist doch ein Wahnsinn! 

Heilkräuter das ist nicht nur Kamille und Zinnkraut, sondern da ist die ganze Gemüsepalette mit drin. - Ilse Achleitner

Heute spricht man von 20, 30, 40 000 phytoaktiven Substanzen, die in Obst und Gemüse enthalten sind!“


Reinigungskur für den Boden

„Was auch interessant ist: Wir haben mitten im Betrieb einen Brunnen, der ist eine Landesmessstelle, wird also ständig kontrolliert. Und der hat nachweislich immer die niedrigsten Nitratwerte in der ganzen Region!“, so Günter Achleitner.
Der biologische Boden entwickle eine Puffer- oder Schwammfunktion, erklärt Ilse Achleitner, und entgifte so das Wasser. Im Falle eines Hochwassers könne der biologische Boden durch diese Schwammfunktion außerdem viel mehr Wasser aufnehmen. „Und bei Trockenheit hat er viel mehr Wasser gespeichert und wir müssen später bewässern als die Konventionellen.“
„ Also, ich trau mir zum Beispiel sagen, wenn alle Betriebe biologisch wirtschaften würden, hätten wir bei Weitem nicht die Probleme mit den Hochwässern. Ich meine, das ist schon ein Wahnsinn was die Konventionellen da machen

Wenn der Konsument wüsste, wie konventionelles Obst und Gemüse produziert wird, er würde es nicht mehr kaufen. - Günter Achleitner

Des trau ich mir zu einem jeden sagen. Das konventionelle Gärtnergemüse wächst ja auch oft gar nimmer im Boden, sondern in einer Nährlösung und im vollen Pestizidcocktail, das ist rein steril.“ sagt Günter Achleitner


Im nächsten Post geht es weiter mit dem Bio-Virus, öko-freundlichen Gurken aus Spanien und der Frage, warum das Lagerhaus den Bauern das Vermarkten verlernt hat.



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