Freitag, 29. März 2013

Ali Mahlodji im wegmarken.talk

Betrachtet man die trockenen Fakten, klingt seine Geschichte fast unvorstellbar: Flüchtlingskind aus dem Iran, Aufenthalt im Auffanglager Traiskirchen, Schulabbrecher, orientierungsloser Job-Hopper und nun CEO eines der erfolgreichsten Startups Österreichs. Wenn man ihm, Ali Mahlodji, dann gegenübersitzt, erlebt man eine Persönlichkeit mit Strahlkraft, Lebenserfahrung und Mut zur Veränderung und wundert sich über gar nichts mehr. Ali Mahlodji ist Gründer von WHATCHADO, einer Online-Plattform, die Jugendliche bei der Suche nach dem Traumjob hilft - und damit der Motivator tausender ebenso orientierungsloser Jugendlicher, wie er es war.  Wie es dazu kam, erzählt er im wegmarken.talk.

„Da wo ich jetzt bin, bin ich hingekommen durch viele Fehler und viel Ausprobieren und dadurch, immer wieder auf eine Zukunft zu setzen, bei der ich nicht wusste, was dabei herauskommt.

 
(c) Karola Riegler

Ich habe viele Sachen erlebt, die auf den ersten Blick nicht ganz so vorteilhaft wirken. Ich bin im Asylwerber-Lager in Traiskirchen aufgewachsen, war ein Flüchtlingskind. Meine Eltern sind von heute auf morgen aus dem Iran geflohen. Bis ich zehn war, habe ich schon in 13 oder 14 verschiedenen Wohnungen gelebt. Ich habe ein halbes Jahr vor der Matura die Schule hingeschmissen und hab dann Boden geputzt, hab Fensterkitt abgeschabt auf Baustellen, hab Kinokarten abgerissen. Jedes Mal, wenn ich das Gefühl hatte, ich bin nicht mehr am richtigen Platz, hatte ich auch die Energie und den Drang dort wegzugehen. Trotzdem habe ich nebenbei eine HTL für Software-Engineering gemacht und dann ein Studium. Dadurch, dass ich so vieles abgebrochen oder den härteren Weg genommen habe, konnte ich aber auch viel lernen und aufsaugen. All das hat mich auf meine Arbeit bei WHATCHADO vorbereitet, vielleicht auch dorthin geführt. Als Kind hab ich mir immer gewünscht, anderen Leuten zu helfen sich selbst zu helfen. Das hat mir immer schon getaugt. Wenn ich in der Schule gesehen hab, dass sich jemand schwer tut, hab ich geschaut, wie ich ihm helfen kann besser zu werden.

Deswegen habe ich mir auch gewünscht Lehrer zu werden – aber nicht klassisch Deutsch- oder Englischlehrer, sondern eine Art Lehrer, der den Leuten hilft, etwas selber zu machen. Das war mein absoluter Traumberuf. Ich hab mir gewünscht auf Bühnen zu stehen und zu erzählen, dass jeder das machen kann, was er will. Das war mit 14, glaub ich. Irgendwann wollte ich aber doch lieber Hip-Hopper werden und später, mit 19, hab ich mir eingebildet Unternehmensberater zu werden. Das war das schlimmste, was ich jemals gemacht habe (lacht). Aber mein Traumberuf als Kind war eine Mischung aus Lehrer und Autor und Helfer. Jemand, der sagt, komm schon, du hast 80 Jahre vor dir, tu was damit! Wenn ich sehen kann, dass Ideen, die in meinem Kopf sind, eines Tages echt meine Umwelt beeinflussen und etwas zum Positiven verändern können, das motiviert mich. Vor allem, wenn das Ideen sind, die mich hoffentlich überleben werden.

Ich hab mein ganzes Leben lang gehört, dass ich Sachen nicht kann, von meinen Lehrern oder den Leuten beim AMS. Zum Glück aber nicht von meinen Eltern. Meine Eltern haben zu mir gesagt du kannst alles, wenn du willst. Was mich motiviert, ist, wenn mich jemand links liegen lässt und eher belächelt. Wenn wer sagt, geh bitte, lustige Idee, der macht jetzt ein paar nette Videos von Leuten und glaubt er kann da jetzt das Handbuch der Lebensgeschichten bauen. Und es war schon eine Art von Motivation, als ich gehört hab, dass die Leute uns und unsere Idee ausgelacht haben. Aber es ist eine negative Art der Motivation. Was mich wirklich motiviert: Ich bin im Iran geboren, hab mir aber nicht ausgesucht dort geboren zu werden. Meine Eltern sind geflohen und ich hätte überall landen können. Zum Glück bin ich in Österreich gelandet. Ich hab dieses Riesenglück an einem Ort zu sein, wo ich das Leitungswasser trinken kann und so viele Möglichkeiten habe. Das ist eine Sache, die mich immer wieder zu einer Art Höchstform antreibt, weil ich weiß, es gibt so viele Leute auf der Welt, die diese Chance nicht haben. Ich hab diese Spielewiese hier und ich möchte schauen, wie weit ich komme.


Erfüllung ist es für mich zu lernen, dass ich nicht alles haben muss. Wir leben in einer Welt, wo wir oft glauben, dass alles wichtig ist. Wenn man sich das Leben als Schalen einer Zwiebel vorstellt und sich überlegt, was kann man alles weglassen, was würd nicht wehtun, da kommt man irgendwann drauf: das, was wirklich wehtut, was man nicht wegtun kann, sind Freunde, Familie und die eigene Gesundheit. Das hört sich jetzt vielleicht deppert an, aber es ist so. Und das ist auch mein Ziel im Leben: Ich möchte zufrieden mit mir sein, auch ohne gerade etwas Großes erreicht zu haben und zu sagen so wie es ist, ist es gut.


Als ich 13 war, haben sich meine Eltern zu Weihnachten scheiden lassen. Da hab ich begonnen zu stottern. Ich hab ein Jahr lang nicht reden können, hab kein Wort herausgebracht. Ich bin in der Klasse gesessen, hab zwar die Tests gemacht, aber konnte zum Beispiel nicht vorlesen. Und ich hab sechs Jahre gebraucht, das Stottern wegzubringen. Ich war beim Pädagogen und hab Gesangstests gemacht, aber nix hat geholfen. Eines Tages hab ich zu mir gesagt: was ist das Schlimmste, was dir passieren kann, wenn du versuchst vor Leuten zu reden? Sie lachen dich aus. Gut, das machen sie jetzt auch schon. Und von heute auf morgen war das Stottern fast weg. Ich hab damals so eine Art „Scheiß-drauf-Attitüde“ entwickelt, weil ich mir gesagt hab, ich kann nicht immer Angst haben.

Ali Mahlodji (rechts) mit Jubin Honarfar im Whatchado-Office, (c) wegmarken

Es gibt immer diese Gurus, die sagen: es gibt keine Probleme, nur Herausforderungen. Das Ding ist: es stimmt wirklich. Es gibt ein paar echte Probleme im Leben: Mein Papa ist etwa gestorben, da war ich 25. Wir haben einen Streit gehabt, am nächsten Tag ruft der Arzt an, er ist im Rettungswagen und kriegt keine Luft mehr. Das sind die wirklichen Probleme. Aber solange es den Freunden, der Familie gut geht, ist alles andere nebensächlich. Das einzig große Problem bei Whatchado wäre für mich, wenn ich die Gehälter nicht zahlen könnte. Was ich gelernt habe in den letzten zwei, drei Jahren, ist es Probleme zu akzeptieren. Das Leben ist eine Kurve, es geht mal rauf, dann wieder runter und wieder rauf.


Ich behalte meine Probleme allerdings nie für mich. Ich kommuniziere das immer ziemlich bald mit den Leuten, die’s wissen dürfen. Dann ist es nicht mehr mein Problem, sondern ich mach es zu einer Art Gemeinschaftsproblem mit allen, die es mit mir zusammen lösen können. Wenn du die Probleme
und Stolpersteine, die du hast, mit anderen Leuten teilst, kannst du besser schlafen. Das zweite, was ich gelernt hab: ich bin so ein kleiner Stein im Universum, die Probleme, die ich hab, sind für andere Menschen gar keine Probleme. Und es ist mir sehr wichtig in meinem eigenen Umfeld Leute zu haben, die mich nicht wegen meiner Arbeit mögen. Die nicht einmal wissen, was wir hier machen. Zu denen du hingehen kannst und es ist scheißegal, ob du jetzt Umsätze machst oder nicht, die wollen wissen, wie es dir als Mensch geht.


Und was ich auch noch mache mit Rückschlägen: ich hab eine Tätowierung, das sind zwei Sterne. Mein Vater hat immer gesagt, wenn du in den Straßen von Wien unterwegs bist und die Leute anschaust, die schauen immer so griesgrämig und zwar, weil die immer nur geradeaus oder auf den Boden schauen. Und da ist alles grau. Er hat gesagt, stell dich einmal am Tag auf die Straße und schau in den Himmel. Dann merkst du, wie klein du bist und wie klein deine Probleme sind. Und dann stell dir noch einmal die Frage, geht es dir gut? Das hab ich oft vergessen und deswegen hab ich’s mir eintätowieren lassen. Und jetzt mach ich es wirklich einmal am Tag, egal wie stressig es ist. Wenn uns wieder einer kopiert oder die Konkurrenz nicht schläft – da hilft es einem zu sehen, dass man eigentlich nur ein kleines Steinchen ist mit einem Ablaufdatum.“


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