Dienstag, 16. April 2013

Das war der 13. wegmarken.salon mit Reinhard Schwabenitzky



Gegen das System arbeiten, um Gutes zu produzieren. Star-Regisseur Reinhard Schwabenitzky, Speaker des 13. wegmarken.salons, über seine Rolle als "Unbequemer", die Vorzüge von Bundesheer-Dienstvorschriften und den kleinen Menschen, der bei ihm immer gewinnen muss.

"Ich wollte an sich nie irgendwo sein, das war in gewisser Weise auch mein Glück.  Ich war immer ein Mensch des Augenblicks, mich hat immer am meisten interessiert, was ich gerade, im Moment, mache. Wenn mich jemand gefragt hat, welcher meiner Filme denn mein liebster sei, dann war es immer der aktuelle. Und wenn ich mal gerade keinen Film mache, muss ich scharf nachdenken.  

Man ist nicht immer selbstbestimmt in dem, was man als Regisseur tut, es gibt immer Aufträge, die man zu erfüllen hat. Bei mir war das immer kompliziert, weil ich mir ungern hab dreinreden lassen. Deswegen haben sich die Konflikte mit der Bürokratie des Fernsehens auch immer sehr stark gezeigt. 

Reinhard Schwabenitzky, (c) wegmarken
Ich bin als junger Mensch gerne ins Kino gegangen, aber Film war für mich so unerreichbar weit weg, dass ich mir gedacht hab, das wird sowieso nichts. Also war mein erstes Interesse beim Theater. Nachdem meine Mutter aber gesagt hat, ich soll vorher einen anständigen Beruf erlernen, habe ich die Salzburger HTL für Elektrotechnik besucht. Das hab ich ein halbes Jahr gemacht, bin dann aber heimlich ausgestiegen und hab bei einem Geometer gejobbt. Der ist mir dann auch sofort auf den Geist gegangen, weil es so elendiglich fad war. Also hab ich gesagt, gut, fang ich halt noch einmal an mit der HTL, diesmal in Mödling. Das Internat war furchtbar, die Schule irgendwo auch. In Mödling war es aber insofern ganz lustig, weil ich einen sehr guten Deutschprofessor hatte. Der hat mir immer Opernkarten und Karten für das Burgtheater geschenkt. Ich hab ein Moped gehabt und bin bei Wind und Wetter, Nacht und Nebel in die Staatsoper gefahren und hab mir am Stehplatz dort alles angeschaut, was nur war. Das war damals eine interessante Zeit an der Oper, die Karajan-Zeit. Die Schule hab ich mit Ach und Krach bestanden. Ich war auch damals ein störrischer Mensch. Ich hab Schulkabarett gemacht und alle ein wenig auf die Schaufel genommen habe. Das heißt, ich hab immer wieder Ausgangssperre gehabt. 

Dann war ich beim Bundesheer, das war auch eine heftige Zeit. Die haben mich auch nicht besonders mögen. Ich war nie aktiver Störenfried, sondern hab immer nur reagiert. Ich bin hergegangen und hab die Dienstvorschriften gelernt und immer, wenn jemand zu mir gesagt hat, tu das und das, hab ich gesagt, nein, die Dienstvorschriften sagen aber was anderes. Somit hab ich erreicht, dass, wenn immer ich mit den Dienstvorschriften angefangen habe – egal ob ich’s erfunden hab oder nicht – haben mir die geglaubt. 

Dann hab ich es gewagt, die Aufnahmeprüfung ins Reinhard-Seminar zu versuchen, als Regisseur. Bei der Aufnahmeprüfung hab ich natürlich auch wieder Schwierigkeiten gemacht, weil ich gesagt hab, also, wenn ich das alles weiß, was Sie mich fragen, dann brauch ich ja gar nicht mehr studieren. Alles, was ich vorgeschlagen habe, wie man etwas machen könnte, fanden die dort zu populär. Ich wollt mich ja immer vielen Menschen mitteilen und dort wurde nur das Elitäre gefragt. Ich hab das Elitäre aber abgelehnt. Sie haben gesagt, das verstehen ja alle! Und ich dann: das will ich ja, dass das alle verstehen!

R. Schwabenitzky mit Moderator Franz Wührer (c) wegmarken
Ein anderer, der mit mir rausgeflogen ist, hat gesagt, er geht jetzt auf die Filmhochschule. Ah, hab ich gesagt, so was gibt es auch? Dort hab ich dann nicht mehr den Fehler gemacht zu sagen, ich will Regisseur werden, sondern hab mich für das Kamera-Fach beworben. Jeder Professor durfte sich da einen Studenten aussuchen, auch, wenn er bei anderen durchgefallen ist. Und ich bin wirklich überall durchgefallen, außer beim  Kameraprofessor. Und der hat eben gesagt, den will ich! Ja, und, weil mir fad war, hab ich dann Kamera, Regie, Drehbuch und Schnitt inskribiert und hab die Abschlussprüfung dann gemacht in Regie und Kamera. 

Ich hab im sechsten Semester schon meinen Diplomfilm gedreht, das war damals eigentlich undenkbar, weil das Material einfach zu teuer war. Ich bin einfach zu Kodak gegangen und hab gefragt, ob ich Restmaterial haben kann, hab‘s bekommen, mir eine Kamera vom Institut geborgt und einen Film gedreht, der hieß „Lebensaufgabe“, eine Satire. Das Fernsehen hat den gesehen und dann auch gesendet. 

Dann kam ein Redakteur zu mir und hat mich gefragt, ob ich denn was drehen möchte. Ich hab gesagt, ja, was denn? Er hat mir dann so einen Groschenroman gegeben, der hieß „Schwester Martha verzichtet auf ihr Glück“. Da hab ich ihn gefragt, was ich mit dem Schrott soll? Ich hab abgelehnt. Der hat mich dann aber immer wieder angerufen und gesagt, ich muss das drehen. Ich hab so lange abgelehnt, bis mir eingefallen ist, ich mach daraus eine Satire. Dann hab ich zugesagt. 

Reinhard Schwabenitzky (c) wegmarken
Ich hab mir daraufhin genau überlegt, wie das gemacht werden muss, damit es als Satire funktioniert. Die Farben, die Dekoration, alles. Als die Szenerie dann fertig gebaut war, hab ich sie mir angeschaut und es war nicht so, wie es im Konzept stand. Andere Farben, andere Möbel, anderer Grundriss. Die Leute dort haben herumgezogen und gemeint, das passt schon so. Nein, hab ich gesagt, das passt so nicht, ich hab da ein Konzept. Wenn zum Beispiel jemand gesagt hat „Gott wacht über dich!“, dann hab ich das so aufgenommen, dass im Hintergrund das Kreuz war. Und das funktioniert natürlich nicht, wenn der Raum ganz anders ausschaut. Ich hab gesagt, wenn das am Montag nicht so steht, wie ich es gesagt habe, dann drehen wir nicht. Und bin gefahren. Nicht aus Sturheit, sondern weil mein Konzept so nicht funktioniert hätte. Als ich am Montag dann wieder gekommen bin, hat es gepasst und wir haben gedreht. Und der Über-Gag: es war ein Riesenerfolg. Und zwar nicht so, wie ich mir das vorgestellt habe, dass die Leute die Satire kapieren, sondern weil es so schmalzig war. Meine Großmutter hat mich angerufen und gesagt, na so ein schöner Film!

Und daraufhin hab ich noch ein Angebot gekriegt, da haben sie mir ein Buch gegeben, das hat „Das Salz der Erde“ geheißen. Ob ich da ein Kapitel draus verfilmen will. Da gäbe es einen Autor, der hieße Hinterberger und der Hauptcharakter, der hieße Mundl. Da gäbe es einen Autor, der hieße Hinterberger und der Hauptcharakter, der hieße Mundl. Der Roman war gut, das Drehbuch weniger. Drehbuchschreiben war nicht Hinterbergers Stärke und die Zusammenarbeit mühsam. Das muss man umschreiben, hab ich gesagt. Und der ist dann neben mir gesessen und wir haben es gemeinsam umgeschrieben, haben gedreht und es war auf Anhieb ein Straßenfeger. 

Dann ist der ORF zu mir gekommen, ob man noch eine zweite Folge machen könnte, eine dritte und dann eine vierte. So haben wir eine Folge nach der anderen gemacht und am Schluss haben sie uns so wenig mögen, dass … ich hab drei Folgen hintereinander gedreht, Weihnachten, Sylvester und die erste Folge, wo die Irmi schwanger ist. Das waren meine letzten drei Folgen. Das haben sie uns drehen lassen in der Lagerhalle, wo die Geräte für die olympischen Spiele aufbewahrt worden sind. Das war die Hölle, der Holzboden dort hat geknarzt, wir haben uns fast nicht bewegen können. Der ORF hat uns nicht mögen, er hat den Erfolg auch nicht mögen.

(c) wegmarken
Ich hab einmal in Mattsee eine Mühle gemietet um Urlaub zu machen. Ich bin dann am Wochenende in den Ort rein gefahren um einzukaufen und hab die Zeitung in die Hand genommen. Auf der Titelseite sehe ich „Star-Regisseur Schwabenitzky“, da hab ich mir gedacht, was? Das soll’s gewesen sein? Jetzt hab ich noch nicht einmal die Akademie fertig. Weil, Star ist man, wenn man alles geschafft hat. Und ich hab doch gerade erst angefangen. Das war für mich gewaltig. Ich bin dann halt als „Star-Regisseur“ zur Diplomprüfung angetreten. 

Beim echten Wiener gibt es ein übergreifendes Thema. Es ist ja so, dass alle politischen Parteien mittlerweile die Familie trennen wollen und sagen, alle Familienmitglieder müssen arbeiten gehen und die Kinder werden abgelegt in irgendeinem Hort. Ich glaube, dass eine grundsätzliche Sehnsucht besteht, dass die Familie zusammensitzt an einem Tisch. Und der „Echte Wiener“ erfüllt das. Die sitzen zusammen und auch, wenn sie sich streiten und sich befetzen und beschimpfen, sie reden miteinander. Das ist das eine. Das andere ist es zu zeigen, dass es ein Unterprivilegierter nicht so leicht hat. Aber, wenn es um was geht, ist er voll für seine Familie da, setzt sich ein und riskiert auch ordentlich was. Und in dieser Figurenkonstellation, die der Hinterberger wirklich genial erfunden hat, konnte man das zeigen. 

Mich interessiert der kleine Mensch. Und der muss bei mir auch immer gewinnen. Ich hole jetzt vielleicht ein bisschen weit aus, aber, ich bin davon überzeugt, dass das Dritte Reich so nicht möglich gewesen wäre, hätte es die so genannte schweigende Mehrheit nicht akzeptiert, was da passiert ist. Also, man muss diesen kleinen Menschen kritisieren, aber man muss ihn auch gewinnen lassen, damit er sein Selbstwertgefühl behält. Wenn ich eine Komödie mache, dann darf ich nicht über den kleinen Verlierer lachen, sondern über den vermeintlichen Sieger. Lachen ist für mich sowieso eine ganz wichtige antiautoritäre Sache. Sonst würde der Satz „Lach nicht so blöd“ ja gar nicht funktionieren. Lachen ist eine Waffe."



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