Interview, Text und Fotos: Raphaela Oßberger & Julia Hosch, FH Joanneum, Studiengang Journalismus und PR.
Werner Walisch ist Psychotherapeut, Paartherapeut und Coach in freier Praxis in Graz – nach fast drei Jahrzehnten beruflicher Sinnsuche, sieht er sich endlich im Ziel angekommen. Vorerst.
Gleich nachdem uns ein gut gelaunter Werner Walisch die Tür geöffnet hat, beginnt es auch schon aus ihm herauszusprudeln: “Stellt euch vor, ich habe soeben die ganz überraschende und sehr erfreuliche Nachricht erhalten, dass mein Vater die goldene Ehrenmedaille der Republik erhalten hat. Unglaublich, oder?” Unglaublich ist auch der Karriereweg von Werner Walisch selbst, denn er zeigt: Es braucht keinen perfekten, geradlinigen Lebenslauf, um Erfolg zu definieren. „Der Verstand hat bei meinen Berufsentscheidungen meist den Kürzeren gezogen“, sagt Walisch rückblickend.
Nach einem abgebrochenen Jus-Studium („Ich wollte zu Beginn den sicheren Weg gehen“), einer kurzen Karriere im Rampenlicht als Gitarrist einer Rock-Band („Als Gitarrist stehst du dann doch immer in der zweiten Reihe und das wollte ich für mich in der Zukunft einfach nicht“), sechs Jahren als Leiter eines Heimes für Menschen mit Behinderung, 16 Jahren im Personalmanagement im Gesundheitsbereich und etlichen nicht geplanten Karriereschritten, ist Werner Walisch mit 51 Jahren nun dort angekommen, wo ein „innerer Ruf“ ihn stets versuchte hinzuführen.
„Normalerweise ist man ja zuerst Fachexperte und wird dann Führungskraft, bei mir war es aus freien Stücken genau umgekehrt", meint der studierte Pädagoge. „Als Gesichtsverlust habe ich das jedoch nie empfunden“, erzählt Walisch. 2009 machte er sich schließlich mit seiner psychotherapeutischen Praxis in Graz selbstständig. Bis zu diesem Zeitpunkt war er bereits viele Jahre in der Personalentwicklung der KAGes tätig, etablierte dort in den letzten Jahren seiner Tätigkeit eine psychosoziale Beratungsstelle.
„Ich habe mich schon immer für die Geschichten von Menschen interessiert“, erklärt Walisch. Jedoch war eine stetige Unruhe, in den vergangenen Jahrzehnten, sein ständiger Begleiter: „Ich habe immer das jeweilige Ziel vor Augen gehabt, es erreicht und dann gemerkt, dass es das noch nicht ganz gewesen sein kann. Die Sehnsucht nach ‚Mehr’ war immer da. Ich stellte mir also die Frage, wie es mir gehen würde, mit 70 zurückzublicken und zu erkennen: ‚Das wäre mein beruflicher Wunschtraum gewesen, aber ich habe es nie gemacht.‘ So kann ich mir selbst sagen, dass ich es wenigstens versucht habe.”
Auf der Suche nach beruflicher Erfüllung ist Walisch den ein oder anderen Umweg gegangen. Doch auch skurril wirkende Abstecher wie der Job als Hilfsarbeiter in einer Fensterfabrik, um sich das Musikerleben zu finanzieren, oder die Kandidatur als Nationalratsabgeordneter für den Bezirk Radkersburg bei der Nationalratswahl 1990, hätten im Nachhinein ihr Gutes: „Jede berufliche Erfahrung aus der Vergangenheit hilft mir jetzt, meinen Job gut zu machen. Im Nachhinein machen Dinge oft Sinn, auch wenn man es im Moment noch nicht erkennen kann. Und so gibt es sogar heute noch immer wieder Momente, wo es für mich von Vorteil ist, bei einer Band gewesen zu sein“, sagt Walisch schmunzelnd.
Den „inneren Ruf“, wie er es so schön nennt, kann er momentan nicht mehr hören, weil er angekommen sei. „Ich wollte immer nur etwas Sinnvolles machen, einen positiven Unterschied für Menschen, mit denen ich arbeite, bewirken – und das kann ich mit dem, was ich jetzt tue."
Die Autorinnen über ihre persönlichen Schlüsselmomente im Leben:
Julia Hosch: Vor meinem jetzigen Studium habe ich Pharmazie studiert, da ich den „sicheren Weg“ gehen wollte, und quälte mich fünf Semester lang durch ein zwar interessantes, aber für mich nicht passendes Studium. Nach einem erneuten „Fleck“ auf eine Prüfung, auf die ich mich wochenlang vorbereitet hatte, beschloss ich über Nacht mein Studium an den Nagel zu hängen und ein Praktikum bei einer Zeitung zu beginnen. Die beste Entscheidung meines Lebens.
Raphaela Oßberger: Ein Schlüsselmoment in meinem Leben war bestimmt die Entscheidung, für ein Semester in Norwegen zu studieren. Dadurch erweiterte sich mein Horizont in vielerlei Hinsicht enorm und es zeigte mir, wohin ich nach dem Studium an der FH JOANNEUM einmal gehen möchte. Hätte ich dieses Abenteuer nicht gewagt, wäre ich heute wohl ein ganz anderer Mensch. Und weil es mir dort so sehr gefallen hat, sehe ich mich in einem Jahr in einem Hörsaal einer norwegischen Universität.
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