Interview & Text: Gerald Rumpf und Vanessa Angermann, FH Joanneum, Studiengang Journalismus & PR
Das Elevate-Festival steht vor der Tür - zehnjähriges Jubiläum für Daniel Erlacher. |
Daniel Erlacher ist ein Tausendsassa. Der 38-Jährige ist IT-Spezialist, Musiker und engagiert
sich in seiner Heimat Graz, aber auch EU-weit, für gesellschaftspolitische Anliegen. Seit
nunmehr zehn Jahren stellt er erfolgreich das Musik- und Diskursfestival „Elevate“ auf die
Beine. Wenn man mit Daniel Erlacher über seine Erfolge, Ziele und Visionen spricht, fragt
man sich früher oder später:
Wann schläft dieser Mann?
Was hast du vor dem Elevate gemacht?
Ich habe ein Geschichte-Studium auf der Karl-Franzens-Uni in Graz begonnen und
Informationsmanagement auf der FH. Auf der FH war ich fast fertig, aber dann hatte ich einen
Konflikt mit dem Studiengangsleiter und bin wegen einer mehrfach nicht angetretenen Prüfung
kurz vor der Diplomarbeit „gegangen worden“. Danach habe ich Websites für diverse Projekte
gebaut.
Veranstaltungen mache ich eigentlich schon seit 1995, aber seit 2002 mehr und intensiver. Mitte
der 90er war die Pionierzeit der elektronischen Musik in Graz. Ich war sozusagen in der zweiten
Runde von Leuten dabei, die sich damals engagiert haben, etwas zu machen.
Wie bist du auf die Idee gekommen, das Elevate zu machen?
Graz war immer schon eine Stadt, wo sehr viele Kooperationen passiert sind. Im November 2003,
im Kulturhauptstadtjahr, ist die Idee entstanden, dass man eben nicht nur eine Party macht,
sondern auch zu einem interessanten Thema diskutiert. Wir haben angefangen, auf dem
Dancefloor in der Postgarage zu diskutieren, bevor wir dann die Partynacht gestartet haben.
Damals hieß das Veranstaltungsformat noch „Exit Space - Music, Scenes and Political
Expression“. Es war total motivierend und interessant, dass das Konzept, Diskussionen
kombiniert mit Musik, so gut funktioniert.
Wir haben diese Veranstaltung sechs Mal gemacht bis inklusive 2005. Da waren Bernhard Steirer
und manchmal auch Roland Oreski schon mit an Bord, meine jetzigen Elevate-Partner. 2005 kam
einem aus unserer Runde die Idee, eine Art Schloßbergfest zu machen. Der Gedanke war, dass
man das Konzept von „Exit Space“ nimmt, ein bisschen größer und umfangreicher macht und den
ganzen Schloßberg belebt. So ist Elevate entstanden. Elevate war also eigentlich eine Erweiterung
der Veranstaltungen, die wir schon lange in Graz gemacht haben.
Mehr als Tanzen: Das Elevate-Festival ist für den gesellschaftspolitischen Diskurs bekannt. |
Gab es am Anfang des Elevate Schwierigkeiten oder Herausforderungen?
Das erste Festival war ja als Schloßbergfestival angelegt. Wir haben das relativ groß gedacht,
hatten auch die große Kasematten-Open-Air-Bühne mit dabei und haben das an zwei Tagen im
September riesig aufgezogen. Im Endeffekt hat’s nicht so geklappt mit dem Publikum — auf
einmal war die Kasemattenbühne leer und damit war natürlich unser finanzielles Disaster
besiegelt. Es gab sogar einen Unfall, wo wir aber nichts dafür konnten, und einer der Hauptacts
hat am Abend der Veranstaltung abgesagt.
Wir hatten dann Schwierigkeiten, das erste Jahr zu überstehen. Aber wir haben es geschafft, mit
Beständigkeit und einem tollen Team. Wir haben gesagt: ‚OK, da müssen wir jetzt durch, weil wir
an das Konzept glauben. Wir glauben daran, dass es im Großen und Ganzen eine super
Geschichte ist.‘ Wir haben dann den alten Verein abwickeln und einen Ausgleich machen müssen.
Dann sind wir neu gestartet. 2006 war einfach ein schwieriges Jahr. Wir hatten aber das Glück,
dass die Politik uns unterstützt hat und dass Leute an das Konzept geglaubt haben. Wir sind
immer dran geblieben.
Jetzt haben wir natürlich andere Strukturen, so etwas wie 2005 kann uns nicht mehr passieren.
Jetzt haben wir eine Vereinsstruktur mit einem Aufsichtsrat und einer Geschäftsführung, es gibt
etwa 2 mal jährlich eine Kontrolle: Wie schaut das Budget aus? Ist das realistisch? Kann man das
machen? Somit kann so etwas nie mehr passieren, dass wir in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Man kann sagen, wir haben im ersten Festivaljahr eigentlich alle harten Prüfungen überstanden,
die es im Veranstaltungsgeschäft gibt.
Glaubst du, dass das Elevate Festival in den zehn Jahren seines Bestehens gesellschaftlich
etwas bewirken konnte?
Ich würde sagen schon. Abgesehen davon, dass wir von einigen Folgeprojekten und Initiativen
wissen, die direkt aus dem Festival heraus entstanden sind, ist für mich klar: Wenn jedes Jahr
tausende Menschen zu uns kommen oder auch bei einzelnen Veranstaltungen hunderte
Menschen in einem Raum sitzen, verändert sich alleine durch die Inspiration und die
Gedankenanstöße viel. Der Zuspruch ist gestiegen, es kommen immer mehr Menschen, vor allem
auch im Diskursprogramm, zum Elevate. Wir wissen auch zum Beispiel, dass nach den
Workshops zum Thema „Community Supported Agriculture“ die Mitgliederzahlen bei einigen
Initiativen um 50% gestiegen sind. Es ist wirklich konkret viel passiert. Ich glaube also schon,
dass es im Bewusstsein der Menschen Einiges bewirkt.
Für mich ist aber auch wichtig, klar zu sagen: Selbst wenn nur 10 Leute in einem Raum bei einer
Veranstaltung wären — du bringt ein interessantes und wichtiges Thema und inspirierst vielleicht
jemanden, der drei Wochen später eine Idee hat und mit einem Freund darüber redet, und dann
etwas Revolutionäres in die Welt setzt. Du kannst nie sagen, was daraus entsteht. Wichtig ist,
dass man etwas macht.
Warst du immer schon gesellschaftspolitisch aktiv?
Ich glaube, ich hatte in der Schule Glück, gute Lehrer gehabt und grundsätzlich eine kritische
Einstellung mit auf den Weg bekommen zu haben. Ich war gewissermaßen immer schon politisch
interessiert, aber nicht als Aktivist oder in einer politischen Partei, ich komme auch nicht aus einer
politischen Familie. Viel hat die Musik beitragen, der Hip Hop und die elektronische Musik in den
späten 80ern und frühen 90ern. Das war schon eine Message, die mich beeinflusst hat.
Konkret war sicher 9/11 für mich ein Moment, wo für mich klar wurde, dass man nicht
wegschauen kann, sondern sich grundsätzlich mit geopolitischen oder überhaupt weltpolitischen
Dingen beschäftigen muss. Natürlich aus einer kritischen Sicht heraus. Ich bin am 10. September
2001 aus New York weggeflogen.
Welche Schlüsselerlebnisse haben dich besonders geprägt?
Einerseits war das der erste Irakkrieg, den wir auch in der Schule behandelt haben. An das
erinnere ich mich gut. Das nächste Schlüsselerlebnis war der erste Rave, generell die ersten
Erlebnisse mit elektronischer Musik Anfang der 90er Jahre. Das erste eigene DJ-Set, die erste
eigene veröffentlichte Platte in den Händen zu halten. Ich hatte ja einmal ein Musiklabel, das ich
jetzt aber nicht mehr aktiv betreibe. Ich war früher als DJ und als Liveact tätig, habe in ganz
Europa gespielt, eine US-Tournee gemacht, das war auch etwas Besonderes. 1999 habe ich ein
Album veröffentlicht, zum Thema Überwachungsstaat, der Sound ist ein bisschen wild, ich warne
dich vor (lacht). Früher hatte ich recht viele Auftritte und bin ein bisschen herumgekommen.
Ein spezielles Schlüsselerlebnis war für mich auch 2007, als Cynthia McKinney bei Elevate zu
Gast war. Sie war Präsidentschaftskandidatin bei den Wahlen 2008 in den USA für die Grünen.
Die Frau kennen zu lernen und sie in Graz zu Gast zu haben, war eine große Ehre, weil ich sie
durchaus als den weiblichen Martin Luther King der Jetzt-Zeit bezeichnen würde. Für mich ist sie
eine der meist respektierten amerikanischen Persönlichkeiten in der Politik. Sie kennen zu lernen
und dann bei der Elevate Afterparty mit ihr zu tanzen, war ein besonderes Erlebnis.
Was machst du, wenn gerade nicht Elevate ist?
Elevate ist ein Ganzjahresjob für mich. Ich arbeite das ganze Jahr an dem Festival, natürlich in
unterschiedlicher Intensität. Elevate ist aber nicht nur das Festival. Wir machen auch EU-Projekte,
eines ist gerade jetzt wieder aktiv, das heißt EE MUSIC (Anm.: Energy Efficient Music Culture). Wir
haben auch von 2008 bis 2011 schon eines gemacht, das nannte sich Energy Union. Wir arbeiten
an Projekten, in denen es um Awareness im Energiebereich und konkretes Training von
Musikfestival-Veranstaltern geht. Da arbeiten wir mit Clubs in ganz Europa.
Ich engagiere mich auch im IT-Bereich, mit IT-Projekten wie g24.at (Anm.: Forum und
Informationsplattform für Grazer) oder agit.DOC (Anm.: Dokumentarfilmreihe im Forum Stadtpark).
Das hat irgendwie auch alles mit Elevate, mit Medien, mit Politik zu tun. Ich habe das Glück, dass
aus meinen Interessensgebieten durch jahrelange Arbeit und Kooperation mein Beruf geworden
ist. Das ist toll. Ich verdiene zwar nicht viel Geld (lacht), aber es ist klass, weil ich an dem arbeiten
kann, was mich interessiert. Mir ist wichtig, dass ich, wenn ich schon von Steuergeld lebe, auch
etwas für die Gesellschaft tue.
Erlacher im Rampenlicht: Elevate ist ein Ganzjahresjob. |
Was war das größte Erfolgserlebnis in deinem bisherigen Leben?
Ehrlichgesagt, jedes Elevate Festival ist für mich ein Erfolgserlebnis. Es ist, als hättest du das
ganze Jahr lang ein Vorspiel und dann hast du fünf Tage lang Sex. Da gibt’s natürlich einige
Orgasmen. Man arbeitet das ganze Jahr auf diese fünf Tage hin, hat das Booklet einen Monat
vorher in den Händen, quasi das Festival niedergeschrieben und komplett durchgeplant. Dann
kommt die Produktion, dann kommen alle Gäste — das ist schon eine besondere Arbeitsweise.
Ich bin immer wieder froh, wenn in den fünf Tagen alles klappt. Wenn bei 7000 Menschen alles gut
geht, keiner stirbt, die Inspiration da ist und alle glücklich sind — das ist schon etwas
Besonderes. Die Belohnung ist dann, wenn man die Gäste, die man einlädt, auch trifft. Heuer war
Amy Goodman bei uns zu Gast. Ich schaue seit sieben oder acht Jahren fast täglich „Democracy
now!“ (Anm.: Amy Goodman ist Mitbegründerin, Moderatorin und Produzentin von Democracy
Now!) als Nachrichtensendung, und dann triffst du die Frau und umarmst sie. Das sind Momente,
die einfach super sind. Oder wenn die Diskussion gut läuft — ich und meine KollegInnen
moderieren ja auch selbst auf der Bühne — das ist ein großes Erfolgserlebnis. Für mich war das
Festival heuer eines der inspirierendsten, die wir je gemacht haben, und in dem Sinne auch eines
der größten Erfolgserlebnisse meines Lebens.
Es ist außerdem so etwas Tolles, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die nach 9 Jahren noch
mitarbeiten und die alle etwas machen können, was sie auch gerne machen. Elevate ist etwas, wo
man gemeinsam an einem Strang zieht und das ist für mich eine der schönsten Sachen. Das
funktioniert so reibungslos, dass ich nicht mehr viel sagen muss. Jeder weiß, was zu tun ist.
Wie lange wird es das Elevate Festival in der Form noch geben?
Ich hoffe, dass das Festival so beständig ist wie der Steirische Herbst, das heißt, 40 Jahre
mindestens (lacht). Es wäre natürlich schön, wenn es das Festival so lange gibt, wie es
Diskussionsbedarf und das Interesse an spannenden Inhalten in unserer Gesellschaft gibt — und
das ist hoffentlich immer so. Ob ich das Festival dann noch mache, ist eine andere Frage.
Gibt es Bestrebungen, zu expandieren oder etwas zu verändern in der Zukunft?
Ja, es gibt mehrere Ideen. Es gibt Pläne, eventuell etwas Zusätzliches zu machen, beispielsweise
Anfang März ein neues Format zu etablieren. Wir wollen nicht das Festival kopieren, aber vielleicht
etwas Spannendes mit Musik und etwas Spannendes Diskursives machen. Das hängt natürlich
bei uns als gemeinnütziger Verein davon ab, ob wir mehr Förderungen für ein erweitertes
Programm kriegen. Im Endeffekt muss die Politik, aber auch die Gesellschaft entscheiden, was
man macht. Ideen und Konzepte gibt es bei uns genug, daran soll es nicht scheitern. Es ist eher
eine Kostenfrage. Viel Programm und viel Festival kostet auch viel Geld.
Wo wir auf jeden Fall auch wachsen wollen, ist im Ausbau der TV-Übertragungen und des Live-
Videostreams. Zum Thema Expansion: Ehrlichgesagt, wir haben im Forum Stadtpark so eine
super Atmosphäre, es ist nicht total überlaufen, du hast nicht so einen Stress, du hast die
Möglichkeit, mit den Gästen des Festivals zusammenzusitzen, das Publikum hat die Möglichkeit,
die Gäste kennenzulernen. Wir sind eigentlich sehr froh, dass wir nicht so ein überlaufenes,
10.000-Leute-Event sind wie beispielsweise die re:publica, wo die Trennlinie zwischen Publikum
und Gästen viel stärker ist. Bei uns ist es sehr intim und nach wie vor sehr persönlich. Das wollen
wir erhalten. Wäre echt schön, wenn das so bleibt.
Welche persönlichen Pläne hast du für die Zukunft?
Ich möchte Elevate natürlich schon weitermachen. Ich finde es spannend und mache es total
gerne, von der Planung über die IT bis hin zur Moderation. Es ist ein Allrounder-Job. Auch mit
diesem gut konfigurierten Team zu arbeiten ist für mich sehr motivierend.
Aber ich engagiere mich zum Beispiel auch im Bereich Public Service Media (Anm.: öffentlichrechtliche
Medien), habe so eine kleine Arbeitsgruppe, wo wir uns Gedanken dazu machen, was
das Konzept im 21. Jahrhundert bedeutet. Dort werde ich ein wenig meiner Zeit investieren. Und
es gibt noch ein anderes, neues Medienprojekt, an dem ich auch großes Interesse habe, aber das
hängt davon ab, wie mein Zeitbudget ausschaut. Es mangelt also nicht an Ideen und
Möglichkeiten, mehr an der Frage, was zeitlich noch machbar ist. Elevate ist eben ein ziemlich
selbständiger Job. Man muss sich die Zeit selbst einteilen, man muss sich die Prioritäten selbst
setzen. Natürlich habe ich auch Deadlines, muss mit dem Team arbeiten, es gibt Meetings, klar.
Aber Freizeit und Arbeitszeit fließen sehr ineinander. Dafür kann ich etwas machen, was ich
leidenschaftlich gern mache.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen